News von der Glarner reformierten Landeskirche

Zwingli im Original lesen

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21.03.2017
Das Johannesevangelium enthält keine Einsetzungsworte zum Abendmahl, hingegen einen Dialog, in dem sich Jesus als Brot des Lebens bezeichnet. In seinem «Kommentar über die wahre und falsche Rellgion» von 1525 verwehrt sich Zwingli dagegen, dass die Kirche diesen Text auf die Eucharistie bezieht. Was Johannes schreibt, beziehe sich auf ein geistliches Essen, das im Glauben geschieht, auch unabhängig vom Abendmahl.

«Es ist demnach der Glaube, der allen Hunger und Durst stillt. Aber welchen Hunger und welchen Durst? Natürlich den der Seele. Also ist es allein der Glaube an Christus, der die Seele sättigt und tränkt …» 

«Dann fügt er über alles hinaus auch noch hinzu ‹Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm› (Joh. 6, 56). Das ist den Ungläubigen zur Verstockung, den Gottesfürchtigen aber zur Unterweisung gesagt. Und auch daran kann man erkennen, dass Christus hier nicht vom sakramentalen Essen redet – denn, o Jammer, Ungezählte essen und trinken sakramental Leib und Blut Christi und sind doch nicht in Gott und Gott nicht in ihnen, ausser
insofern als er auch in einem Elefanten oder in einem Floh ist –, sondern vom Essen des Glaubens; denn wer glaubt, dass er durch die Hingabe Christi erlöst und durch das Vergiessen seines Blutes abgewaschen ist, der bleibt zweifellos in Gott. Er wirft ja sein ganzes Vertrauen fest auf den Sohn Gottes und richtet seine Hoffnungen nirgends anderswohin; denn er kann nach keinem andern Gut dürsten, da er das höchste Gut bereits geniesst. – Ich rede aber vom Ge­niessen Gottes – soweit es uns Menschen hier im Pilgerzustand zukommt –, … denn die Gottesfürchtigen geniessen Gott, solange sie hier auf Erden sind, was freilich allen denen unbekannt ist, deren Herzen nicht von der Liebe zu Gott entbrannt sind.» 

«Ich hebe euch durch Gleichnisse und durch liebliche Allegorien zu den himmlischen Dingen empor, ihr jedoch bleibt unter der Schwerkraft des Unglaubens immer am Boden sitzen. Es ist eine geistige Sache, von der ich rede, es handelt sich nicht um körperliche Dinge, sondern Geist lehrt Geist. Gottes Geist, sage ich, geruht, den armen Geist des Menschen zu sich zu ziehen, ihn mit sich zu verbinden und zu verknüpfen, ihn ganz in sich umzuwandeln. Das nährt die Seele, macht sie fröhlich und des Heils gewiss. – Was ist das anderes als Seelenspeise? Oder mit welchem Bild kann es passender ausgedrückt werden als mit dem der Speise? Denn wie ein hungriger Magen frohlockt, wenn die Speise in ihn hineinfliesst, durch welche dann die verbrauchten Lebensgeister, die verbrauchte Wärme und Kraft erneuert werden, so frohlockt die hungrige Seele, wenn sich Gott ihr eröffnet, vor Freude, nimmt von Tag zu Tag immer mehr zu, wird kräftiger und verwandelt sich in Gottes Bild, bis sie zum vollkommenen Menschen heranwächst. Es ist also geistliche Speise, von der ich rede. Denn allein der Geist gibt sie, da er allein die Seele zu sich zieht und wieder herstellt.»  

«Nachdem nun Christus offen gelehrt hatte, das besagte Essen sei ein solches mit dem Geist, nicht mit dem Mund, da das Fleisch ja gar nichts hilft, fügt er hinzu ‹Die Worte, die ich zu euch rede, sind Geist und sind Leben. (Joh. 6, 63)› 

Es geht aus der ganzen Heiligen Schrift hervor, dass die Hebräer ‹Wort› als Bezeichnung für eine ganze Sache, für ein ganzes Geschehen und einen Vorgang brauchen, Lukas 1, 65: ‹Durch das ganze Bergland von Judäa hin wurden alle diese Worte verbreitet.› Darum müssen Christi Worte an unserer Stelle so verstanden werden: Die Sache, die ich euch erläutert habe, ist der himmlische Geist, und er verschafft denen das Leben, die sich ihm anvertrauen.»

«Das soll also eine eherne Mauer sein: ‹Das Fleisch hilft nichts› (Joh. 6, 63). Geh jetzt und führe alle Waffen heran, Wurfmaschinen, Rammböcke, Schirmdächer und jede Art von Geschossen. Du wirst sie nicht umwerfen, ja nicht einmal erschüttern. Du musst also anders vom Fleisch und Blut dieses Sakraments denken, …» 

Huldrych Zwingli, Schriften III, S. 259–272

 

Textauswahl und Bild: Andreas Schwendener – Kirchenbote SG, April 2017