«Zum Wohl der Menschen, nicht der Kirche»
Die christlichen Feiertage Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Bettag und Weihnachtstag geniessen im Thurgau einen besonderen Schutz. Theater, Tanzanlässe oder Sportveranstaltungen sind dann nicht erlaubt. Dieses Verbot sei «ein Übrigbleibsel aus alter Zeit», schreiben die Motionäre und fordern jetzt eine Gesetzesänderung. Der Kanton Thurgau sei «einer der wenigen Kantone, die in ihrem Ruhetagsgesetz einen Paragraphen besitzen, die über den reinen Lärmschutz und Schutz vor Ruhestörung hinausgeht und Tätigkeiten an den so genannten ‘hohen Feiertagen’ verbietet».
Der Kirchenrat der Evangelischen Landeskirche Thurgau sieht das freilich anders. Kirchenratspräsident Wilfried Bührer und Kirchenratsaktuar Ernst Ritzi schreiben in einem Memorandum: «Wer gegen eine Aufhebung des besonderen Schutzes der hohen Feiertage ist, wird schnell einmal als Spassbremse bezeichnet. Bedeutet es wirklich mehr Spass, an restlos jedem Tag im Jahr alles haben oder machen zu können?» Es sei sinnvoll, dass es Tage gebe, «an denen auch öffentlich eine gewisse Ruhe spürbar ist».
Willkommene Entschleunigung
Die Motionäre zeigen dafür zwar Verständnis, finden aber, dass das Verbot von kulturellen Veranstaltungen für viele Menschen eine Beeinträchtigung darstellt. Wegen des Thurgauer Ruhetagsgesetzes müssten beispielsweise Theater- und Kinobetreiber ihr Publikum an hohen Feiertagen «aussperren». Angrenzende Regionen hingegen profitierten davon.
Der Kirchenrat sieht in der bestehenden Regelung einen willkommenen Entschleunigungsfaktor im immer rasanter werdenden Alltag: «Ohne einen gezielten Schutz durch die Tradition und durch die Gesetzgebung ist das kostbare Gut von Besinnlichkeit nicht zu haben. Für Christen haben Karfreitag und Ostern eine grosse Bedeutung. Aber auch viele andere Bewohner wissen es durchaus zu schätzen, dass wenigstens an fünf Tagen im Jahr öffentlich deutlich wird, dass Lebensqualität nicht mit chronischer Betriebsamkeit gleichzusetzen ist.»
Eine private Angelegenheit?
Für die Motionäre steht das bestehende Ruhetagsgesetz im Widerspruch zum zentralen Wert der Trennung von Staat und Religion: «Religion und wie sie gelebt wird, ist eine private Angelegenheit, in die sich der Staat nicht einmischen soll.» Die Zeit möge zwar hektischer geworden sein. Es sei aber eine persönliche Sache zu entscheiden, wann Ruhe nötig ist.
Kirchenratspräsident Bührer verweist auf die sich häufenden Fälle von Burnout und Depressionen und meint: «Christliche Feiertage bezwecken das Wohl der Menschen, nicht der Kirche. Egal, welchen Hintergrund man hat: Überall wird Hektik beklagt. Feiertage sind Oasen der Stille. Diese sind wichtiger denn je.»
Roman Salzmann / Kirchenbote / 31. März 2017
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
«Zum Wohl der Menschen, nicht der Kirche»