News von der Glarner reformierten Landeskirche

Wie ein Friedenslied die Welt eroberte

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30.11.2018
«Stille Nacht, heilige Nacht» – vor 200 Jahren wurde das berühmteste Weihnachtslied der Welt komponiert. Was ist das Geheimnis des Erfolgs, dass dieser Ohrwurm auch heute immer wieder angestimmt wird?

«Ich wünschte, ich hätte dieses Lied geschrieben», erklärt der Musiker und Sänger Bo Katzman. «Seit 200 Jahren ist ‹Stille Nacht, heilige Nacht› ein Hit. Welches Lied schafft dies schon?» Bo Katzman hat recht. «Stille Nacht, heilige Nacht» schlägt sämtliche Rekorde: Bis heute wurde das Lied in mehr als 300 Sprachen und Dialekte übersetzt. 2011 wurde es in Österreich in die Liste des immateriellen Unesco-Kulturerbes aufgenommen.

Dabei war die Geburt dieses Liedes nicht glorreich: Hungrige Mäuse sollen der Grund gewesen sein, dass das Lied am Heiligabend 1818 erstmals aufgeführt wurde. Da die Mäuse die Bälge der alten Orgel in der Kirche von Oberndorf bei Salzburg angefressen hatten, musste Pfarrer Joseph Mohr noch kurz vor dem Fest ein Lied für die Gitarre komponieren. Experten sind sich jedoch sicher, dass Mohr den Text schon zwei Jahre zuvor verfasst hatte.

Die Melodie schrieb der Oberndorfer Organist Xaver Gruber kurz vor der Christnacht 1818. Der Orgelbauer Mauracher, der die Orgel ein Jahr später reparierte, brachte das Lied ins Zillertal, von wo es Musikanten in die Welt hinaustrugen.

Schlichte, eingängige Melodie
Den Erfolg des Liedes führt Bo Katzman darauf zurück, dass die Melodie schlicht und eingängig ist, sodass sie jeder mitsingen kann. Und der Text sei romantisch, voller Sehnsucht und Hoffnung. Dem kann Andreas Liebig, Münsterorganist in Basel, zustimmen. Als Knabe sang er die Originalfassung für Gitarre und zwei Hörner im Chor mit und war berührt, wie er erzählt.

Solange es nicht das Weihnachtlied par excellence, Luthers «Kinderlied auff Weyhnacht – Vom Himmel hoch», verdränge, hat es nach Liebig «in der Christnachtfeier und unter dem heimischen Weihnachtsbaum durchaus seinen Platz». Im Basler Münster jedenfalls singe man in der Heiligen Nacht beide Lieder «mit Inbrunst».

Ursprünglich sechs Strophen
In den meisten Kirchengesangbüchern stehen von «Stille Nacht, Heilige Nacht» nur drei Strophen. Ursprünglich hatte das Lied jedoch sechs. Die nicht gesungenen Strophen erzählen von der Sehnsucht nach Frieden und Verständigung unter den Völkern: So heisst es in der vierten Strophe: «Stille Nacht! Heilige Nacht! Wo sich heut alle Macht / Väterliche Liebe ergoss / und als Bruder huldvoll umschloss/ Jesus die Völker der Welt.»

Der Text drückt aus, was die Bevölkerung damals fühlte. Nach den napoleonischen Kriegen, die ganz Europa überzogen, sehnten sich die Menschen nach Frieden. Hundert Jahre nach der Entstehung sollte «Stille Nacht, heilige Nacht» für einen, wenn auch kurzen, Frieden sorgen.

Das Lied des Friedens
An Weihnachten 1914 liegen sich Deutsche, Franzosen und Engländer in den Schützengräben in Flandern gegenüber. Die Hoffnung auf einen schnellen Sieg ist zerstört. Es ist kalt und nass. Da stimmen die einen «Stille Nacht, heilige Nacht» an und die anderen singen mit, «Silent night, holy night» und «Douce nuit, sainte nuit». Die Soldaten steigen aus ihren Gräben, tauschen sich aus und verbrüdern sich. Zuletzt spielen sie zusammen Fussball. Nach wenigen Tagen beenden die Heeresleitungen den Friedens-Spuk und der Krieg geht weiter.

Tilmann Zuber, Michael Schäppi, kirchenbote-online, 30. November 2018

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