News von der Glarner reformierten Landeskirche

«Wichtig finde ich, dass die Kirche offen bleibt»

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31.10.2019
Kaum jemand kennt die reformierte Kirche im Kanton Solothurn so gut wie Verena Enzler. Ende Jahr tritt die Synodalratspräsidentin nach 14 Jahren zurück. Enzler über Frauen in Präsidien und die Zukunft der Reformierten.

Verena Enzler, mit welchem Gefühl treten Sie als Synodalratspräsidentin zurück?
Mit dem der Zufriedenheit. Wenn ich auf meine Amtszeit zurückschaue, stelle ich fest, wir haben viel erreicht. Wir konnten einige Vorhaben umsetzen. Die Abstimmung über den Finanzausgleich im Kantonsrat hat gezeigt, dass die Bevölkerung schätzt, was die Kirchen tun. Ich hätte nie mit so einer hohen Zustimmung gerechnet.

An welche konkreten Projekte denken Sie?
An die ökumenische Gefängnis- und Spitalseelsorge, die wir neu für den ganzen Kanton aufgestellt haben. An den Religionsunterricht, der aufgegleist wurde, und im Moment sind wir daran, die Seelsorge im Asylzentrum Flumenthal zu organisieren. Auch in der Palliative Care sind wir einen grossen Schritt weitergekommen. Es liegt nun ein Konzept vor, bei dem alle Professionen zusammenarbeiten. Und wir haben die Kirchenordnung revidiert. Bei all diesen Projekten wirkten gute Leute im Hintergrund mit, ohne sie wäre dies nicht möglich gewesen.

Sie waren 14 Jahre im Amt. Wie hat sich die reformierte Kirche in dieser Zeit verändert?
Die Kirche hat teilweise ihre Definitionsmacht in der Gesellschaft verloren. Vor 14 Jahren verfügten die Kirchen über eine andere Position und zählten mehr Mitglieder. Jedes Jahr verliert die Reformierte Kirche Kanton Solothurn ungefähr 500 Mitglieder. Auf die Dauer summiert sich dies auf eine recht hohe Zahl.

Wie wirkt sich dies aus?
Die Kirche ist einerseits kleiner geworden, andererseits ist man sich heute bewusster, was es bedeutet, reformiert und Mitglied der Kirche zu sein. Früher war dies für die meisten selbstverständlich. Auch das Image der Kirchen hat sich verändert. Die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche wirken sich nun auf die reformierte aus. Heute müssen die Kirchen verstärkt um ihre Akzeptanz kämpfen und erklären, was sie machen. Viele wissen nicht mehr, wie wichtig die Arbeit der Kirchen für die Gesellschaft ist.

Welches waren die Höhepunkte Ihrer Amtszeit?
Fangen wir mit den jüngsten Highlights an: Sicher das sensationelle Resultat bei der Abstimmung im Kantonsrat über den Finanzausgleich. Das Parlament hat zudem den Vorstoss zur Palliative Care gutgeheissen und eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese hat ein Konzept erstellt, das momentan umgesetzt wird. Für mich persönlich war auch die Zeit als Präsidentin der Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes ein Höhepunkt.

Welches Erlebnis ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Meine Wahl als Synodalratspräsidentin. Es gab drei weitere Kandidaten für das Amt und ich habe eigentlich nicht mit meiner Wahl gerechnet. Umso grösser war die Freude. Gefreut hat mich auch die grosse Wertschätzung, die mir entgegenbracht wurde, gerade auch im Zusammenhang mit meiner politischen Arbeit.

Gab es auch Problematisches?
Ja. Mich beschäftigt der Rückgang des Frauenanteils in den Kirchenleitungen. Als ich angefangen habe, gab es noch zehn Präsidentinnen, die einer Kantonalkirche vorstanden. Mittlerweile sind es noch drei. Glücklicherweise wird auf mich mit Evelyn Borer eine Frau folgen. Ich finde es schwierig, dass sich Frauen für solche Ämter nicht motivieren lassen. Das tut mir im Herzen weh.

Ist es für eine Frau schwieriger als Präsidentin akzeptiert zu werden?
Vielleicht müssen Frauen im Gespräch und mit Leistungen stärker überzeugen und zeigen, welche Fähigkeiten und Qualitäten sie haben. Das war am Anfang für mich eine Herausforderung.

Worauf führen Sie es zurück, dass sich so wenige Frauen für ein solches Amt zur Verfügung stellen?
Frauen streben solche Positionen nicht so sehr an wie Männer. In meinem Umfeld ist es für viele Frauen, die Kinder haben, über lange Zeit nicht möglich, Vollzeit zu arbeiten. Das kann man gut nachvollziehen. Später könnten sie solche Aufgaben übernehmen. Aber ich denke, Frauen sind nicht so sehr Einzelkämpferinnen. Sie arbeiten lieber in einem Team, in dem sie sich wohlfühlen, als dass sie eine möglichst steile Karriere anstreben. Meist auch weil sie daneben eine Familie haben oder ein Hobby pflegen. Es ist schwierig, bei all diesen vielen Aufgaben noch ein Präsidium zu übernehmen.

Wie ist das Verhältnis zwischen Kanton und Kirchen im Kanton Solothurn?
Gut.

Inwiefern? In welcher Rolle sieht der Kanton die Kirchen?
Unsere Ansprechpartner beim Kanton sind die Regierungsräte Remo Anklin und Brigitte Wyss. Ich denke, die Solothurner Regierung weiss, was die Kirchen alles leisten, gerade im sozialen Bereich. Etwa für die Leute, die randständig, einsam oder in einer schwierigen Lebenssituation sind. Oder all die Veranstaltungen und Leistungen, welche die Landeskirchen anbieten, etwa die Spezialpfarrämter. Hier ist jeder willkommen und niemand fragt nach der Kirchenmitgliedschaft. Diese diakonische Arbeit und Offenheit ist dem Kanton wichtig. Was die Kirchen im Bereich der Seelsorge anbieten, können Psychologen und Psychologinnen nicht leisten. Bei ihnen steht die Therapie im Vordergrund. Die Menschen, die in die Kirche kommen, suchen jedoch Kontakt, Austausch und die Möglichkeit, mit anderen reden zu können. Gerade wenn das Leben langsam dem Ende zugeht, spielen Religion und Spiritualität eine grössere Rolle. Deshalb sind die Seelsorge und die christlichen Werte in der Gesellschaft nach wie vor von Bedeutung.

Sie waren zwei Jahre lang Präsidentin der Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK. Wie beurteilen Sie die neue Rolle des SEK, dass die Reformierten in der Schweiz einheitlicher auftreten sollen?
Wie gesagt, die reformierten Kirchen werden kleiner und bedeutungsloser. Da ist es wichtig, mit einer gemeinsamen starken reformierten Stimme zu sprechen. Ich begrüsse es auch, wenn die Synode der Evangelischen Kirche Schweiz vertieft Themen diskutieren kann. Das hatte in der Abgeordnetenversammlung keinen Platz.

Wie sieht die Reformierte Kirche Kanton Solothurn in zwanzig Jahren aus?
Aus demografischen Gründen sicher kleiner. In den nächsten Jahren wird sich einiges tun und die Kirche muss sich neu orientieren.

In welche Richtung?
Das ist noch offen. Vielleicht verliert sie ihren Status als öffentlich-rechtliche Körperschaft und wird zum Verein. Vielleicht geschieht aber genau das Umgekehrte und die Menschen suchen wieder vermehrt Orientierung bei den Kirchen. Gerade in einer Zeit, in der Menschen vielleicht erlebt haben, dass Esoterik, Konsum oder fremde Religionen sie nicht weiterführen, merken sie, dass die Kirche und ihre Werte ihnen Halt, Identität und Gemeinschaft bietet. Wichtig finde ich, dass die Kirche offen bleibt, noch mehr auf die Menschen zugeht und stärker diakonisch in den Gemeinden wirkt. Dann wird sie eine gute Zukunft haben.

Tilmann Zuber, kirchenbote-online, 31. Oktober 2019

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