Wenn an der Uni die «Erstis» erstmals auf der Matte stehen
Jedes Herbstsemester wiederholt sich an den Unis in aller Welt das gleiche Schauspiel: Zu Hunderten strömen die Erstsemestrigen in die Hauptgebäude und in die Hörsäle, müssen sich zum ersten Mal mit Vorlesungen, Seminaren und Tutoraten herumschlagen. Es ist immer wieder wunderbar zu beobachten: Studienanfänger, Maturanden, junge Menschen eben, die vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben eine Universität betreten und sich voller Vor- freude, vielleicht aber auch mit Ängsten und Unsicherheiten durch diese Hallen bewegen. Die einen scheinen sich vorzukommen wie Harry Potter an seinem ersten Schultag in Hogwarts (im positiven wie im negativen Sinne), die anderen wirken eher wie Kälber auf dem Weg zur Schlachtbank.
Für jede Hilfe dankbar
An den Erstsemestrigen-Tagen ist das alles wunderbar zu beob- achten. Wenn es im Lichthof, dem Zentrum der Uni Zürich, Gratiskaffee gibt, die Studenten- verbindungen um neue Mitglie- der werben und man sich mit Gratiskugelschreibern für die nächsten zwei Jahre eindecken kann, ist das Schauspiel besonders spannend. Die «Erstis» stolpern mit grossen Augen zwischen den Ständen umher und sind leicht Opfer für alle möglichen Verteiler von Flyern und Vertre- tern von Studentenvereinen. Sie sind dankbar um jede Hilfe und platzen beinahe vor lauter Fragen – zu Professoren, zum Latinum, und den besten Arbeitsplätzen. Wenn sie im Studentenladen ihre ersten Unibücher kaufen, leuchten bei den meisten die Augen. Den Jusstudenden tun aber meis- tens schon beim Anblick des an die zwölf Kilo schweren Erstse- mestrigen-Package die Arme weh. «Und das soll ich jetzt den ganzen Tag mit mir rumschleppen?», scheinen sie sich zu fragen. Glücklicherweise müssen sie die Bücher nicht alle in dieselbe Vorlesung mittragen. Die Miene der Lastenträger ist angesichts des Preises all dieses Lernmaterials jeweils auch eine eigene Ge- schichte. Vor allem, wenn man bedenkt, dass spätestens in zwei Jahren viele dieser Bücher bereits wieder ersetzen müssen, weil sie veraltet sind.
Wo gibts das beste Sandwich?
In den ersten zwei Wochen er- kennt man die «Erstis» noch gut. Sie bewegen sich immer in Grup- pen fort und versperren mittags um Punkt 12 den Mensaeingang. Sie wissen noch nicht, wo es die besten Sandwiches gibt und sind noch nicht koffeinabhängig. Sie kriegen beim Gedanken an ihre erste Seminararbeit Bauchschmerzen. Erst mit der Zeit wer- den sie sich an Vorlesungen gewöhnen und an das Mensaessen. Und sie tüfteln an Taktiken, um mittags um 12 im Lichthof doch noch einen Tisch zu ergattern. Und nächsten Herbst dann kaufen sie im Studentenladen nur noch die Hälfte der Bücher, die von den Profs empfohlen werden. Und sie werden sanft lächelnd die neuen «Erstis» bewundern.
Melina Rüegg / 4.11.2016
Wenn an der Uni die «Erstis» erstmals auf der Matte stehen