News von der Glarner reformierten Landeskirche

War es wirklich Gott?

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20.12.2017
Papst Franziskus will das Unservater ändern. Er fordert, die Bitte «und führe uns nicht in Versuchung» zu ersetzen. Denn ein liebender Gott führe die Menschen nicht in Versuchung. Ist dieser Vorstoss gerechtfertigt?

Christine Oefele, Sie sind Neutestamentlerin an der Theologischen Fakultät Basel. Was halten Sie davon, dass der Papst die Bitte «und führe uns nicht in Versuchung» durch «Lass uns nicht in Versuchung geraten» ersetzen möchte?
Hinter dem Vorschlag von Papst Franziskus steht ein pastorales Anliegen. Die Vorstellung, dass Gott diejenigen, die an ihn glauben, selbst «in Versuchung führen» könnte, ist in der Tat anstössig. Sie lässt sich schwerlich mit der Vorstellung eines liebenden Vaters zusammenbringen.

Seelsorge in Ehren. Darf man mit unbequemen Stellen in der Bibel so verfahren?
Als Bibelwissenschaftlerin liegt mir daran, die anstössigen Stellen in der Bibel so kantig wie möglich stehen zu lassen. Als Christen sind wir im Gespräch mit den Bibeltexten. Wir sollten zunächst genau zuhören, was sie sagen, und uns ihre Aussagen nicht so zurecht schleifen, dass sie in unser Gottesbild passen. Nur so kommt es zu einem echten Gespräch, das neue Perspektiven eröffnen kann. Am Vorschlag des Papstes gefällt mir, dass er eine Diskussion über die Bedeutung der Bitte und über Gottesbilder auslöst.

Zurück zur Bibel: Wie lautet die genaue Übersetzung dieser Bitte?
Zunächst kurz zum griechischen Textbefund: Der griechische Text ist einheitlich überliefert; Matthäus (Mt 6,13) und Lukas (Lk 11,4) bieten den exakt gleichen Wortlaut. Die Bitte richtet sich direkt an den zuvor angesprochenen Vater, das griechische Verb «eis-ferein» heisst übersetzt «hinein-tragen» oder «hinein-bringen». Objekt des Hinein-Tragens oder Hinein-Bringens ist «wir».

Und Gott ist derjenige, der uns versucht?
Nach meiner Einschätzung bietet der griechische Text nur die Möglichkeit, dass sich die Bitte «bringe uns nicht hinein» an den Vater richtet; Gott selbst soll das nicht tun. Interpretationsspielraum bietet jedoch das «in Versuchung». Das griechische «peirasmos» heisst zunächst ganz allgemein «Prüfung, Erprobung» dann auch «Versuchung» (zur Sünde) oder «Anfechtung» (des Glaubens).

Wie würden Sie diese Bitte wiedergeben?
Ich würde entweder bei den vertrauten Worten bleiben oder alternativ «Stell bitte unseren Glauben nicht auf die Probe» sagen.

Der Papst argumentiert, dass ein Gott-Vater einen nicht in Versuchung führen kann, sondern nur der Teufel. Entspricht dies dem neuen Testament?
Der neutestamentliche Befund in Bezug auf «Versuchung» ist wesentlich breiter als dieser Dualismus Vater Gott und Teufel. Etwas flapsig gesagt: Im Neuen Testament versucht jeder jeden - oder eben: Jeder stellt jeden auf die Probe. Jesus wird oft von Menschen auf die Probe gestellt - erweist er sich wirklich als Sohn Gottes? Umgekehrt heisst es auch von Jesus einmal, er stelle einen Jünger auf die Probe (Joh 6,6). Und natürlich führt auch der Teufel in Versuchung. Die wohl bekannteste Versuchungsgeschichte ist die von Jesu in der Wüste.

Also doch der Teufel?
Der Teufel stellt Jesus auf die Probe, will ihn sogar von Gott abwerben und für sich gewinnen. Er hat damit aber keinen Erfolg. (Mt 4,1-11; Lk 4,1-13). Doch die Geschichte beginnt damit, dass der (Heilige) Geist Jesus in die Wüste führt. In diesem Fall wird es schwierig, eindeutig benennen zu wollen, wessen Wille hinter der Versuchung steht: Ist es der Wille des Heiligen Geistes oder der des Teufels? An solchen Fragen zeigt sich, dass die Bibel keine einfachen Antworten auf schwierige Fragen gibt. Das macht sie als Gesprächspartnerin manchmal anstrengend, aber auch spannend. Und sie bringt uns untereinander ins Gespräch - über Gott, die Welt und uns selbst.

Tilmann Zuber, kirchenbote-online, 20. Dezember 2017

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