Von Fussballgöttern und Ehrfurcht im Stadion
In seltener Eintracht sassen Kirchen und Fussball auf dem Podium zusammen. Neben den Seelsorgern Marc-André Wemmer und Monika Widmer sassen FCB-Urgestein Massimo Ceccaroni und Roland Heri, operativer Leiter des FCB. Was Religion für sie bedeute, wollte Gesprächsleiter Meinrad Stöcklin, Präsident der Baselbieter Sportjournalisten, von seinen Gästen als Erstes wissen. Für ihn heisse es, dass er versuche, «die Grundwerte unserer Gesellschaft zu leben», meinte Roland Heri.
Für Monika Widmer, reformierte Pfarrerin und einzige Frau auf dem Podium, hat Religion zwei Dimensionen: die Ausrichtung auf Gott und auf die Gemeinschaft. Beides sieht sie auch im Fussball. Zum einen in der Hoffnung der Spieler und Fans auf einen Sieg, zum anderen in der Gemeinschaft im Stadion. Damit war die Diskussion über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Religion, Kirche und Fussball lanciert.
Kirche und Stadion passt zusammen
«Ich bin kein Fussballfan», outete sich Widmer. Ganz im Gegensatz zu ihrem katholischen Kollegen Marc-André Wemmer. Er sei in beiden Welten gross geworden, in der Kirche und im Stadion: «Beides passt zusammen. Kirche und Fussball bringen die unterschiedlichsten Menschen zusammen.» Wie die Kirche funktioniere auch der Fussball als bereichernde Klammer der Gesellschaft, ergänzte Roland Heri. Im Stadion erlebe man gemeinsam mit anderen das Schönste wie auch Enttäuschungen.
Er habe den Begriff Religion gegoogelt, gestand FCB-Fan Ebi Rauber. Religion bedeute Ehrfurcht vor Gott, und ebenso könne man auch vor dem FCB Ehrfurcht empfinden. FCB-Fan Marc Berger brachte es auf den Punkt: «Gott will, dass die Menschen glücklich sind. Wenn die Mannschaft gewinnt, ist der Fan glücklich.»
Fussballer mit Verantwortung
Im Fussball spiele der Glaube eine grosse Rolle, meinte Massimo Ceccaroni. Er wollte dies jedoch nicht unbedingt mit Religion gleichsetzen. «Menschen, die auf einer Bühne stehen, haben Verantwortung, dem Publikum etwas zu zeigen. Da ist der Glaube an das Positive und an sich selber wesentlich, damit man die Erwartungen der Leute nicht enttäuscht.» Manche Fussballer bekreuzigten sich, bevor sie das Spielfeld betreten, viele hätten ihre eigenen Rituale. Vielleicht hofften sie auf Hilfe, so Ceccaroni. «Ich ging auf den Rasen, weil ich gerne Fussball spiele. Ich glaubte vor allem an mich selbst.»
Ob man Fussballgötter haben dürfe, diskutierte die Runde weiter. Sie möchte keinen Menschen als Gott verehren, meinte Monika Widmer. Das Göttliche beziehe sich in diesem Fall nur auf den Fussball, relativierte Roland Heri. Marc-André Wemmer sieht ebenfalls keinen Widerspruch: «Göttlich als Begriff zeigt uns etwas, das perfekt ist. Dies kann ich augenzwinkernd auf den Fussballgott übertragen.» Massimo Ceccaroni versteht es als Kompliment an die Kirche, dass der Fussball religiöse Ausdrücke wie «heiliger Rasen» und «Fussballgott» übernommen hat.
Die Lust am Unvollendeten
Für Monika Widmer zeigt sich eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Sport und Religion darin, dass Menschen über sich hinauswachsen können: «Die Sehnsucht nach Vollkommenheit verbindet uns.» Dem widersprach Roland Heri. Es sei gerade die Lust am Unvollendeten, «die uns zusammen Freude geniessen lässt». Die Kirche habe eine Antwort auf das Unvollendete, sagte Marc-André Wemmer: «Wenn niemand mehr eine Antwort hat, haben wir etwas Positives zu sagen.»
Karin Müller, kirchenbote-online, 14. November 2018
Von Fussballgöttern und Ehrfurcht im Stadion