Vertrauen auf die wahrhaftige Gerechtigkeit
«Das ist doch nicht gerecht!» Dies war, in deutlich abgeschwächter Formulierung, mein Kommentar zu einem Gerichtsurteil, welches die Schweiz vor einiger Zeit bewegte. Um welchen Fall es sich dabei konkret handelte, ist nicht relevant. Ein Mensch, der nachweislich sehr Schlimmes getan hatte, ging völlig straffrei aus - aufgrund juristischer Spitzfindigkeiten. Ich gebe es ungerne zu, aber mein innerer Wutbürger kommt in solchen Fällen oft in heftigen Konflikt mit dem Christenmenschen, der ich sein möchte. Denn anstatt zu hoffen, dem Schuldigen möge vergeben werden, kocht der Hölle Rache in meinem Herzen - wie es in der Zauberflöte heisst. Nach dem Bekanntwerden jenes Urteils, welches mich fassungslos, wütend und traurig zurückliess, tat ich das, was mir in emotionalen Ausnahmesituationen immer hilft: Ich stöpselte meine Kopfhörer ein und hörte Musik. Johnny Cash sang das Lied «Gods gonna cut you down» - Gott wird dich niedermähen. Ich finde Trost in dem Gedanken, dass jeder bekommt, was er (meinem Empfinden nach) verdient.
Die Frage, woher ausgerechnet ich denn wissen will, was gerecht wäre und was nicht - die stelle ich mir in jenen Momenten erst mal nicht. Und wäre ich als Angeklagte vor Gericht, fände ich es mit Sicherheit nicht richtig, wenn man das Urteilen irgendwelchen Wutbürgern überliesse - und seien diese noch so christlich.
Je mehr ich dann darüber nachdenke, was denn nun wahrhaftig gerecht wäre, desto mehr Fragen tun sich mir auf. Fragen, mit denen sich die Richter in jenem Fall zweifellos auch beschäftigt haben. Die Vorgeschichte, den Tathergang und ob der Angeklagte Reue zeigt, kann ein Gericht feststellen. Ob allfällig gezeigte Reue aufrichtig ist, weiss Gott allein. «Du kannst lange Zeit davon rennen. Früher oder später wird Gott dich niedermähen.»
Gerechtigkeit ist ein grosses Thema in der Bibel. Das Rechtsempfinden ist von Kultur zu Kultur, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt ein anderes. Doch Gott ist und bleibt wahrhaftig gerecht. Und ja, das glaube ich und darauf vertraue ich aus tiefstem Herzen. Ich darf mich also von wüsten Rachegedanken verabschieden. Denn diese haben keinerlei Wert, sie belasten nur. Ebensowenig muss ich mich verstellen und so tun, als könnte ich aus dem Stehgreif vergeben, dem Täter das Beste wünschen und so tun als sei alles in bester Ordnung und aus Zuckerwatte. Ich MUSS gar nichts. Ich muss nicht richten. Ich darf mich von der wunderbaren Stimme von Johnny Cash beruhigen lassen. Gott selbst wird sich darum kümmern - in dieser Welt oder darüber hinaus - besser als jeder Mensch es je könnte. Eben wahrhaftig gerecht.
Vertrauen auf die wahrhaftige Gerechtigkeit