News von der Glarner reformierten Landeskirche
#denkpause

Spuren Gottes

von Dagmar Doll
min
13.08.2023
Die Spuren Gottes - immer wieder blitzen sie in unserem Leben auf. Wie ein anderes Hinschauen sie entdecken lässt, darüber schreibt Pfarrerin Dagmar Doll aus Glarus.

Haben Sie das magische Auge? Ich schätze mich glücklich, dass ich es habe - bzw. eine Ausgabe davon in meinem Bücherregal: Das habe ich aber erst wieder gemerkt, als ich nach einem ganz anderen Buch gesucht habe. "Das magische Auge", das war in den frühen 2000ern ein absoluter Hit! Ich bin erneut fasziniert von diesem Bilderbuch: Seite für Seite ein anderes Bild - einmal ein schlichtes Muster, ähnlich dem einer alten Tapete. Dann: ein Sternenhimmel, Blumen, Fische, Schmetterlinge, Münzen oder Passfotos. Bilder, die nicht unbedingt jede und jeden von uns vom Hocker hauen würden – wenn es mit diesen allen nicht eine besondere Bewandtnis auf sich hätte! Hier kommt es in ganz besonderer Weise auf die Art des Betrachtens an, möchte man entdecken, was sich in diesen Bildern noch so alles verborgen hält: eine "3-D-Illusion"! Damit auch jede und jeder diese entdecken kann, empfiehlt die Gebrauchsanleitung: "Halten Sie die Mitte des Bildes direkt vor ihre Nase. Versuchen Sie durch das Bild hindurchzusehen. Bewegen Sie das Bild ganz langsam von Ihrem Gesicht weg, (…) bis Sie die Bildtiefe wahrzunehmen beginnen…"

Wer das versucht, entdeckt, was zuvor nicht zu sehen war: einen Stern, ein neues Muster, eine verborgene Szenerie oder irgendein Tier. Was mich aber wirklich und besonders dabei fasziniert, ist diese vorher ungeahnte und unsichtbare Dreidimensionalität! An dieses Buch fühle ich mich seit meiner unerwarteten Wiederentdeckung wieder öfter erinnert. Wenn ich beispielsweise in dieser Sommerzeit draußen in der Natur bin. Vor drei Wochen waren wir im Konflager an der Nordsee und haben versucht dann und wann an nichts Besonderes zu denken, sondern einfach nur zu sehen, zu hören, zu riechen, zu fühlen: das Kräuseln der Wellen, das Rauschen des Meeres und es Windes, die salzige Luft, die Strahlen der Sonne, das Zwitschern der Vögel … Manchmal kommt es mir dann so vor, als könnte ich für einen Moment durch das mir dargebotene Bild hindurchsehen, bis ich eine neue, ungeahnte Bildtiefe wahrnehme, ein neues Muster, eine andere Welt, eine andere Dimension. Eine Dimension, in der alles, was eben noch wichtig und von Bedeutung, auf einmal einen anderen Stellenwert erfährt.

Diese Momente haben für mich durchaus eine religiöse Dimension, die ich mit meiner religiösen Erfahrung verbinde: Alles ist von Gottes Kraft erfüllt und umgeben. Auch ich bin von dieser Kraft erfüllt – Kraft, die mich ins Leben rief. Kraft auch, die es unendlich gut mit mir meint, vom Wesen her barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue (Ps 86,15). Worte, die sichtbar werden und die auch in über 3.000 Jahren nichts von ihrer Kraft und Bedeutung verloren haben: "Hab keine Angst und lass dich durch nichts erschrecken; denn ich, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst!" (Jos 1,9) Dennoch: Bei allem Wissen, Fühlen, Glauben und bei aller religiösen Erfahrung – es bleibt dabei immer auch die Erfahrung der Unverfügbarkeit dieses Bildes. Manchmal ist die Begegnung mit Gottes Kraft nicht mehr als eine Ahnung, die flüchtig und nicht greifbar ist – so, wie die 3-D-Bilder im Buch "Das magische Auge": Die sind auch nicht immer verfügbar, verschwinden, wenn die Augen müde werden oder wenn die Konzentration nachlässt. Und doch: Wenn ich auch gleich nichts fühle – so darf ich dennoch um die Existenz dieser Kraft Gottes wissen. Und ich darf mit ihr rechnen und ihr sogar mein ganzes Leben anvertrauen. Ein paar letzte Ferientage liegen vor uns. Vielleicht werfen Sie auch einmal einen anderen Blick auf die Welt, wagen eine neue Sichtweise? Vielleicht entdecken Sie dabei auf Ihre ganz eigene Art Gottes Spuren in allem, neue Bilder, eine neue Dimension, die Ihnen bislang noch nicht oder nur halb bewusst gewesen? Und erfahren dabei neuen Mut und ganz viel Freude auch und Gelassenheit!

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