News von der Glarner reformierten Landeskirche

Rabiater Streiter für die Botschaft

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17.01.2017
Kurz vor dem Jahreswechsel starb Pfarrer Gerhard Blocher. Er war ein Mann der Gegensätze. Rotes Tuch und Helfer in der Not. Militärkopf und Gefühlsmensch. Dogmatiker und Pragmatiker. Sein Tod treibt um: Jene, die ihn mochten und jene, die ihn ablehnten.

Viele wollen sich in Hallau nicht äussern zum Tod des früheren Pfarrers und ehemaligen Gemeindepräsidenten Gerhard Blocher, der am 28. Dezember im Alter von 82 Jahren starb. Das sei ein «zu heisses Eisen», lautet die Antwort aus kirchlichen Kreisen im Schaffhauser Klettgau, man wolle viele «unschöne Erinnerungen» nicht weiter ausbreiten, sondern den Theologen, der «polarisierte wie kein zweiter, in Frieden ruhen lassen». Dass er in derselben Gemeinde nach seiner Pensionierung als Pfarrer zum Gemeindepräsidenten gewählt wurde, ohne überhaupt kandidiert zu haben, erstaunt darum und erscheint widersprüchlich.

Von Konflikten und harten Wortgefechten ist die Rede im Zusammenhang mit Gerhard Blocher, von verbalen Unflätigkeiten und bizarren Auftritten in der Öffentlichkeit und von kompromisslosem Durchsetzungswillen. Unvergessen der Skandal, als er eine amtierende Bundesrätin als «Wildsau» und eine andere als «physiognomisch absolut bedauernswert» bezeichnete. Unvergessen auch, als er im TV das Sackmesser zückte und seinem Bruder Christoph empfahl, im «Saustall Bundesbern» mittels «Nahkampf und Blut» aufzuräumen.

Prägende Vaterfigur
Diese provokante und kompromisslose Art führen Menschen, die Gerhard Blocher als Studienkollegen und Familienfreunde nah begleitet haben, auf den Einfluss des Vaters Wolfram Blocher zurück. «Der Theologe Wolfram Blocher war eine beeindruckende Persönlichkeit, einerseits ein intellektueller Überflieger, anderseits liebevoll», sagt der Sozialethiker Hans Ruh, der Gerhard Blocher in der gemeinsamen Studienzeit in Zürich, Basel und Bonn sehr nahe stand.

Ruh beschreibt Wolfram Blocher als einen Mann, der die Leute seine intellektuelle Überlegenheit spüren liess, aber auch melancholisch wirkte. «Diese Vaterfigur prägte Gerhard sehr stark», sagt der ehemalige Studienfreund. So habe der Vater zu ihm gesagt, als Gerhard seinen Wunsch äusserte, Pfarrer werden zu wollen: Man wird nicht Pfarrer weil man will; man wird Pfarrer weil man muss und einen Auftrag hat.

Unerschütterliches Gottvertrauen
Die Abwahl von Pfarrer Wolfram Blocher anfangs der Fünfzigerjahre in der Kirchgemeinde Laufen am Rheinfall sei vor allem für Gerhard und Christoph Blocher ein einschneidendes Ereignis gewesen. «Das Lebensthema von Christoph hiess von da an, die Liebe des Volkes zurückzugewinnen. Für Gerhard bedeutete es, seinen Auftrag mit aller Vehemenz zu verfolgen», sagt Hans Ruh.

«Das Schlüsselwort hiess Auftrag», schreibt dazu auch Studien- und Pfarrkollege Georg Stamm in seiner Würdigung zum 80. Geburtstag Blochers. Und Gerhard sei rabiat geworden, wenn er gefährdet sah, was er als seinen unbedingten Auftrag betrachtete: Die Verkündigung des «reinen Evangeliums». Das «reine Evangelium» sei für ihn die freundliche Zuwendung Gottes gewesen, sein Auftrag, dies lautstark zu verkünden. Dieses unerschütterliche Gottvertrauen kommentierte Gerhards Bruder Christoph Blocher in der Sendung Blocher TV: «Immer wenn wir etwas zu besprechen hatten, das schwierig war, sagten wir zueinander: Keine Angst es geht auf Ostern, und haben gelacht». Gerhard Blocher sei im unerschütterlichen Glauben an das Evangelium gestorben.

«Seine Überzeugung war, dass der Pfarrer der Briefträger ist, der die Botschaft Gottes überbringt. Alles Weitere macht Gott, der Mensch muss nichts beitragen», so Georg Stamm. Kirchliches Engagement im sozialen Bereich und ökumenische Bestrebungen habe Gerhard Blocher jedoch als Machbarkeitswahn und moralische Selbstverwirklichung scharf verurteilt.

Seine Überzeugungen habe er fordernd und nicht immer angemessen vertreten. «Er hat Grenzen überschritten mit seinen Ausdrücken, besonders seine Vorliebe zu allem Militärischen konnte ich nicht teilen», sagt auch Hans Ruh. «Seine Predigten bereitete er anhand der Bibel und des Militärreglements vor, das war schon abstrus.»

Hans Ruh erinnert sich aber auch an eine andere Facette von Gerhard Blocher. «Wir haben die ganze Schule durcheinandergebracht mit Schwänzen und Streichen. Er war lustig und phantasievoll». Es tröste ihn nun, dass diese Seite im Alter wieder mehr zum Vorschein gekommen sei, wie seine Familie berichtet. «Er war am Ende wieder der liebe Gerhard, den ich in jungen Jahren kannte».

Begnadeter Seelsorger
Auch Georg Stamm hat viele gute Erinnerungen an Gerhard Blocher. Eine besonders grosse Qualität sei seine seelsorgerliche Begabung gewesen. «Er kümmerte sich um die Schwachen, obwohl er die sozialen Aufträge der Kirche im Grundsatz ablehnte. Er konnte ausgezeichnet mit psychisch kranken Menschen umgehen», sagt der ehemalige Kirchenratspräsident.

Cecile Berger, damaliges Kirchenstandsmitglied in Hallau, ergänzt: «Er war eine Bereicherung für unsere Familie, ich kann kaum glauben, dass er nicht mehr da ist». Er habe die Menschen weder verurteilt noch moralisiert, auch wenn das widersprüchlich erscheine. «Er erfasste die Menschen in Kürze. Man konnte ihm nichts vormachen». Und er habe sich berühren lassen. «Er konnte mit anderen lachen und weinen. Bei der Beerdigung eines Schulmädchens, das sich das Leben genommen hatte, kamen ihm die Tränen», sagt Cecile Berger.

Dennoch sei es für den Kirchenstand nicht einfach gewesen, mit ihm zusammenzuarbeiten. «Entweder man mochte ihn oder man mochte ihn nicht». Was er gesagt habe, sei jedoch handfest gewesen. «Da war nichts Frömmlerisches und er scheute sich nicht davor, Klartext zu reden. Es war ihm vollkommen egal, was andere über ihn dachten».

Besonders berührend sei aber sein grosses Engagement für seine Frau gewesen, als es ihr nicht mehr gut ging. «Er zog mit ihr ins Altersheim und kümmerte sich aufopfernd um sie bis zu ihrem Tod», sagt Berger. Dazu Gerhard Blocher in einem seiner letzten Interviews: «Ich kann doch nicht ein Leben lang predigen und dann etwas anderes tun».

Adriana Schneider / Kirchenbote / 17. Januar 2017

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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