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Fokus: Schönheit

Pilgern: Auf dem Weg zur inneren Schönheit

von Michael Schäppi
min
08.07.2024
SRF-Moderator Norbert Bischofberger erzählt, weshalb Natur Depressionen lindert, das Paradies in der Schweiz liegt und was unser Streben nach Schönheit mit dem Himmelreich zu tun hat.

«Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter», dichtete Franz von Assisi. Für Norbert Bischofberger ist es nicht abwegig, die Natur zu personifizieren. Jahrelang war der Moderator für das Schweizer Fernsehen mit der Sendung «Spirituelle Wege der Schweiz» auf Pilgerwegen unterwegs.

Natur sei Ort des Zwiegesprächs. Seine beste Lehrerin, eine alte, knorrige Eiche im Oerliker Wald, sei sein Seelenspiegel. «Sie steht unweit von unserem Haus, und ich besuche sie regelmässig. Ob glücklich, gestresst oder vergnüglich, die Natur widerspiegelt mir sehr schnell, wie es mir geht.» Doch sie sei nicht nur Spiegel. «Ich fühle mich in der Natur auch aufgehoben, geborgen. Selbst wenn ich komplett gestresst bin, kehre ich immer mit grösserer innerer Ruhe nach Hause zurück.»

Paradiesische Schweiz

Für den Theologen und SRF-Religionsredaktor ist es nicht verwunderlich, dass das Paradies mit Naturbildern beschrieben wird. Grüne Farbe, schöne Bäume, Stille: All das seien Zutaten, die laut Forschungen positive psychologische Effekte bewirken und etwas von dieser paradiesischen Glückseligkeit anklingen lassen.

«Wissenschaftlich erwiesen ist, dass Spaziergänge in der Natur Rückenbeschwerden und Depressionen lindern.» Eine Studie der Stanford University besage, dass wer sich draussen in der Natur bewegt, bis zu 80 Prozent mehr Kreativität hervorbringt, als dies in Innenräumen der Fall ist. Die Schweiz mit ihrer reizvollen Landschaft und den zahlreichen kulturellen Schätzen sei ein wahres Paradies.

Heute ist Pilgern zum Egotrip geworden, aber im positiven Sinn.

Suche nach der inneren Schönheit

Für manche Menschen seien spirituelle Orte auch Kraftorte , wie beispielsweise das Kloster Einsiedeln. «Im Mittelalter pilgerte man am Ende des Lebens zu den Gräbern von Heiligen, um den eigenen Glauben zu stärken und dem Himmel ein Stück näher zu kommen», weiss Bischofberger. «Heute ist Pilgern zum Egotrip geworden, aber im positiven Sinn.»

Er habe schon zahlreiche junge Pilger angetroffen, die von einer Neuorientierung gesprochen haben. «Sie hatten ihren Job gekündigt oder gönnten sich ein paar Monate Auszeit, um sich beruflich oder privat neu zu orientieren.» Auch da könne man von einer inneren Schönheit reden – in dem Sinne, dass der Pilgerpfad ein Weg zum Wesentlichen werde.

«Äusserlichkeiten spielen heute eine immer grössere Rolle», sagt Bischofberger. In den sozialen Medien präsentiere man sich von seiner schönsten Seite. Da könne die Beschäftigung mit dieser inneren Schönheit ein wohltuender Gegenimpuls sein. Letzten Endes könne man das Streben nach Schönheit vielleicht auch als ein Streben nach Vollkommenheit, nach dem Paradies ansehen, meint Norbert Bischofberger.

Gottesbegegnung

Kann man Gott beim Pilgern oder in der Natur erfahren? «Wenn ich zu meinem Kraftort, meiner Alp im Wallis, zurückkehre, bin ich jedes Mal überwältigt», erzählt Bischofberger. «Es dauert zwar ein paar Tage, bis ich den Alltag abgestreift habe und ganz oben angekommen bin. Da bin ich dann so berührt von der Stille und der Naturgewalt. Ich bin überflutet von Wohlbefinden und fühle mich total aufgehoben.»

Norbert Bischofberger vergleicht das gerne mit einem Glas mit schmutzigem Wasser: Es dauere eine Weile, bis sich der Dreck darin abgesenkt habe, das Wesentliche zu Tage trete. Aber dann könne sich eine Art Gotteserfahrung einstellen.

In dem Sinne könne er beispielsweise auch nach langem Meditieren von einer Gottesbegegnung reden. Weitere Worte finde er dafür aber nicht. Man könne diese Begegnungen eben nicht beschreiben, herbeizwingen oder gar festhalten.

Wer es wagt, auf eine Pilgerreise aufzubrechen, kann sowohl äussere Naturschönheiten als auch innere Schönheit erleben. Beispielsweise auf dem legendären Jakobsweg, einem ganzen Netz von Wegen. Oder auf weniger bekannten Pilgerwegen wie dem Meinradweg, einem Radpilgerweg, der über die Insel Reichenau und das Kloster Fischingen führt – Orte, die an die Klosterkultur erinnern. Also nichts wie los, das Glück liegt ja bekanntlich vor jeder Haustür!

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