One-(Wo)Man-Show = Gottesdienst?
In all diesen Punkten rund um einen «guten» Gottesdienst sind wir uns vermutlich sehr einig. Ein guter Gottesdienst ist es, wenn die Pfarrperson (und der Musiker) einen guten Job macht.
Aber wo kommt die reformierte Gemeinde, wo kommen die mündigen Gläubigen selber zu Wort? Denn das war doch eigentlich mal der Anspruch, den Zwingli und seine Mitstreiter hatten: Dass der Gottesdienst nicht über die Köpfe der Gemeinde hinweg, sondern mit ihnen gemeinsam gefeiert wird.
Geliehene Worte
Gut, wir singen gemeinsam Lieder. Da machen wir alle zusammen den Mund auf und loben Gott, singen vielleicht auch einmal von Schwierigkeiten und Zweifeln. Je nachdem, was der Lied-Texter aufgeschrieben hat und die Liederkommission für tauglich befunden hat für unser Gesangbuch. Vielleicht hat sogar die Pfarrperson einmal ein besonderes Lied mitgebracht, passend zum Thema. Aber all diese Worte sind nicht die eigenen Worte. Es sind geliehene Worte von anderen. Im besten Falle finden wir sie ok, können wir sie guten Gewissens mitsingen. Aber es sind nicht unsere eigenen Worte und Themen.
Selbstgeschriebene Fürbitten
Schön wäre es ja, wenn wirklich die Themen von den Menschen angesprochen würden, die gerade da im Gottesdienst sitzen. Nur traut sich meist niemand, diese laut zu sagen.
Als ich jetzt mehrfach das Experiment gewagt habe, Menschen Zettel und Stifte zu geben, damit sie Worte oder kurze Sätze für die Fürbitten aufschreiben, entstand wirklich Erstaunliches. Natürlich sind immer die Themen Frieden und Gesundheit vertreten. Aber es gibt da dann auch Dinge, auf die eine Pfarrperson nicht mal eben so kommt. Die Gemeinde hat mir «die Bälle zugespielt».
Und ja, es war etwas aufregend, live aus all den Zetteln Fürbitten zu formulieren. Aber die Rückmeldungen hinterher sind eindeutig: Diese Gebete hatten etwas mit uns zu tun. Viel mehr als sonst, wo wir einfach einem fremden Gebet zugehört haben.
Mut in der Kirche
Denn eines sollte ein Gottesdienst ganz sicher nicht sein: eine One-(Wo)Man-Show. Ich hoffe und wünsche mir, dass wir noch mehr solche Möglichkeiten finden, bei denen die Gemeinde wirklich aktiv beteiligt ist.
Wie zum Beispiel beim kantonalen Familientag im Zirkus Mugg am 9. Juni 2024, wo hoffentlich ganz viele Kinder mit ihren Familien kommen und gemeinsam einen bewegten kreativen Gottesdienst (mit anschliessendem Rahmenprogramm) gestalten. Jeder der kommt, darf «seine Bälle ins Spiel» bringen, hat Einfluss darauf, was läuft.
Nur Mut! Die Kirche hält das aus!
One-(Wo)Man-Show = Gottesdienst?