Nicht nur auf Frauen fokussieren
Zum Thema «’Da ist nicht männlich und weiblich …’ – Geschlechtsidentitäten und Kirche» tagt am kommenden Montag die Frauenkonferenz der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS in Bern. Die Frauenkonferenz feierte 2019 ihren 20. Geburtstag. Sie setzt sich für Geschlechterdemokratie in den Kirchen ein. Was 1999 als Lobbying für Frauen in der Kirche und mit dem Kampf für deren Gleichstellung begann, weitet die Frauenkonferenz heute auf alle Geschlechtsidentitäten aus und nimmt damit eine aktuelle gesellschaftliche Debatte auf.
Mehr Diversität in der Kirche
Der Einsatz für die Gleichstellung beschränke sich nicht auf Mann und Frau, sagt dazu Kerstin Bonk. Die Gemeindepfarrerin aus Reigoldswil BL leitet die Fachstelle «Frauen, Männer, Gender» der Aargauer Landeskirche und ist Mitglied im Ausschuss der Frauenkonferenz. In der heutigen Zeit fokussiere man nicht mehr nur auf Frauen, so Kerstin Bonk. «Frau» und «Mann» seien weite Begriffe.
Bereits an der Jubiläumstagung vor drei Jahren betonte Pfarrerin Judith Borter, Leiterin der Fachstelle Gender und Bildung der reformierten Kirche Baselland, wie wichtig das Bekenntnis zur Vielfalt sei. Für Menschen, die sich jenseits des Binären verstehen, brauche es neue Gottesbilder, die über die Kategorien «männlich» und «weiblich» hinausgehen.
Es fehlt an Wissen
Sie kenne Jugendliche und junge Erwachsene, die sich als nonbinär oder als transgender vorstellen, sagt Kerstin Bonk. Sie habe den Eindruck, dass manche Kirchgemeinden damit überfordert sind und nicht recht wüssten, was das für die konkrete Arbeit bedeute, in Jugendlagern beispielsweise. Oder das Thema kommt gar nicht vor, so die Erfahrung der Pfarrerin. «Wir möchten die Kirchgemeinden sensibilisieren. Es ist wichtig, dass die Kirche niemanden ausgrenzt und diskriminiert. Dies passiert oft unbewusst, wenn das Wissen um Vielfalt in der Gesellschaft fehlt und nur die Betroffenen selbst sich um Sichtbarkeit und Gleichwertigkeit bemühen müssen», erklärt Kerstin Bonk. Das Ziel sei, in den Kirchen Räume zu schaffen, wo alle willkommen sind und sich wertgeschätzt fühlen.
Die reformierten Landeskirchen segnen seit Jahren gleichgeschlechtliche Paare. In der Offenen Kirche Elisabethen in Basel feiert die Lesbisch-schwule Basiskirche seit 1991 Gottesdienste. Während also Lesben und Schwule zumindest bei den Reformierten mittlerweile angekommen sind, heissen sie die LGBTQI-Community erst seit kurzem willkommen.
In der Gesellschaft sichtbar sein
Im vergangenen Frühling fand in der Offenen Kirche in Basel die erste Namensfeier für Trans-, inter und nonbinäre Menschen in der Schweiz statt. Elisha Schneider hielt eine Predigt und liess sich segnen. Bei der Geburt ordnete man Elisha ein weibliches Geschlecht zu. Doch Elisha Schneider ist genderfluid und fühlt sich sowohl dem männlichen als auch dem weiblichen Geschlecht zugehörig. «Mit der Segnung bekommt meine Geschlechtswahrheit mehr Resonanz und mehr Gewicht. Transgenderpersonen sollen mit solchen Feiern in der Gesellschaft sichtbarer werden und mehr Anerkennung erfahren», sagte Schneider damals. An der Frauenkonferenz spricht sie über ihre Erfahrungen in der Kirche.
Andrea Coduri und Liliane Rudaz von der Gruppe Église inclusive LGBTIQ+ in der reformierten Waadtländer Kirche führen in das Thema ein und vermitteln Grundwissen: Was versteht man unter Geschlechtsidentitäten und was bedeuten die Begriffe nonbinär, cis, trans, genderqueer, genderfluid, she/they oder agender? Pfarrerin Irène Schwyn, Kirchenrätin in der reformierten Kirche Kanton Zug, referiert über theologische und spirituelle Aspekte von Geschlechtsidentitäten.
Karin Müller, kirchenbote-online
Nicht nur auf Frauen fokussieren