«Nicht alle sind gleich glückbegabt»
Herr Hunziker, wegen Corona herrscht in vielen Unternehmen Kurzarbeit. Wie beurteilen Sie das als Glücksforscher: Macht Kurzarbeit unglücklich?
Tendenziell schon. Das Einkommen geht zurück und man fürchtet um den Arbeitsplatz. Beide Faktoren sind ungünstig. Andererseits gibt es mehr Freizeit. Je nachdem, wie gut oder schlecht man diese zu nutzen weiss, kann die Summe in beide Richtungen ausschlagen. In einer solchen Situation ist die Lebenseinstellung besonders wichtig. Optimisten geniessen die Vorteile und hoffen auf das Beste. Sie können sich wohl am ehesten über Kurzarbeit freuen.
Wie können Führungskräfte dazu beitragen, dass ihre Mitarbeitenden glücklicher sind
Führungskräfte können sehr viel tun: zuhören, fördern, coachen, Fairness walten lassen, über den Sinn einer Arbeit sprechen, Mitarbeitenden etwas zutrauen, Chancen geben, Grenzen setzen, Rollen klären, Freiräume und ein vertrauensvolles Klima schaffen und vieles mehr. Natürlich muss jeder Einzelne sein Glück in die eigenen Hände nehmen. Im schlimmsten Fall sollte man kündigen, falls der Vorgesetzte nichts von alledem umsetzt.
Am Forum 2020 werden Sie darüber referieren, inwiefern Geld als Resultat der Arbeit glücklich macht. Heisst das, Geld macht tatsächlich glücklich?
Es ist kompliziert. Es gibt gute Hinweise, dass Geld glücklich macht und ebenso gute, dass dies nicht der Fall ist. Es kommt auf die Bedingungen an sowie auf den ökonomischen und sozialen Kontext. So werden ärmere Menschen glücklicher, wenn sie mehr Geld zur Verfügung haben. Bei reicheren ist der Effekt so gut wie nicht vorhanden – und wenn, dann ist er von kurzer Dauer.
Sie nennen zwei Aspekte, die wichtig sind, damit das Arbeiten befriedigend ist: «Präsenz im Moment» und «Einsatz der eigenen Stärken». Können Sie dies ausführen?
Wenn etwas schiefläuft, reagiert man mit Ärger. Das ist insofern gut, weil es zeigt, dass einem das Resultat nicht egal ist. Aber Ärger ist selten hilfreich und auf lange Sicht ungesund. Wer präsent im Moment ist, spult nicht sein «Ärger-Muster» ab, sondern betrachtet die Situation, ohne sie zu beschönigen, und überlegt, was man am besten daraus machen kann. So führt Präsenz im Moment zu besseren Entscheidungen, die der Situation gerecht werden. Was die Stärken anbelangt, so zeigt sich, dass jeder Mensch ein kleines Set von Charakterstärken besitzt, die ihn oder sie ausmachen. Wenn man diese Charakterstärken kennt und öfter bei der Arbeit einsetzt, wird man glücklicher – und erfolgreicher.
Sie sagen, dass es grundsätzlich einfach ist, glücklicher zu werden. Wie lautet kurz zusammengefasst Ihr Rezept?
Es ist gleichzeitig einfach und schwer. Einfach ist es, weil es eine Reihe von simplen Übungen gibt, die man leicht beherzigen kann. Etwa jemandem einen Dankesbrief zu schreiben, häufiger zu lächeln, oder ein Tagebuch der schönen Momente zu führen. Schwierig ist es, weil es Selbstdisziplin verlangt und mit alten Gewohnheiten bricht. Man kann dies vielleicht mit einer Raucherentwöhnung vergleichen.
Ganz allgemein: Welche Parameter machen das Glücklichsein aus?
Da gibt es viele sehr wichtige Aspekte. Zwei möchte ich herausgreifen. Erstens: Es gibt einen genetischen Faktor. Man spricht nicht so oft darüber, da man ihn nicht beeinflussen kann. Er dürfte aber erheblich sein. Nicht alle Menschen sind gleichermassen glückbegabt. Zweitens: die optimistische Lebenseinstellung. Sie hat nachweislich einen sehr starken Einfluss darauf, wie man das Leben erlebt, wie alt man wird oder wie gut man sich von einem Herzinfarkt erholt. Optimismus ist weitgehend leicht lernbar. Eingefleischte Pessimisten werden das nicht glauben, sie sind davon überzeugt, dass jedes noch so gute Trainingsprogramm bei ihnen nicht wirkt. Wahrscheinlich haben sie recht - vor allem darum, weil sie den Erfolg durch ihre Haltung verunmöglichen. Insofern ist das, woran man glaubt, ein wichtiger Glücksfaktor.
Apropos Glauben: Wissenschaftliche Studien zeigen auf, dass sich der Glaube positiv auf das persönliche Glück auswirkt. Deckt sich das mit Ihren Erkenntnissen?
Zahlreiche Studien belegen, dass es wichtig ist, Sinn zu finden, in dem was man tut, und dass soziale Beziehungen eine grosse Bedeutung haben. Beides wird durch die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft gefördert. Bei streng Gläubigen, insbesondere wenn sie an einen strafenden Gott glauben, dürfte der Effekt hingegen eher in die ungünstige Richtung zeigen. Ich vermute, dass es verschiedene Arten von Gläubigkeit gibt, die mit den aktuellen Messmethoden aber im selben Topf landen. Das könnte der Grund für die aktuelle, sich widersprechende Datenlage sein.
Interview: Cyrill Rüegger, kirchenbote-online.ch
«Nicht alle sind gleich glückbegabt»