Neue Grenzen, alte Probleme
Bischof Vitus Huonder hat jüngst eine Aufteilung des Bistums Chur in drei Teile zur Diskussion gestellt: Graubünden und Glarus sollen das neue Bistum Chur bilden, Zürich soll ein eigenes Bistum werden, und Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden würden zu einem neuen Bistum Urschweiz zusammengefasst. Hintergrund dieses Vorschlags ist der aus Zürich kommende Wunsch, sich vom Bistum Chur abzuspalten. Die Umfrage unter den Betroffenen läuft noch, Ende April soll über das weitere Vorgehen informiert werden.
Auch Reformierte zur Stellungnahme aufgefordert
Den Brief von Bischof Huonder mit Bitte um Stellungnahme haben auch die Zürcher Reformierten erhalten. «Die Bistumsaufteilung ist ein offizielles Thema», sagt Michel Müller, Kirchenratspräsident der Reformierten Kirche des Kantons Zürich. Obwohl klar sei, dass das prinzipiell eine innerkatholische Sache sei. Diese Abgrenzung ist auch für die verantwortlichen Reformierten in den Kantonen Schaffhausen, Luzern und Schwyz klar: Alle Angefragten finden, die Neueinteilung sei Angelegenheit der römisch-katholischen Kirche. Man wolle sich nicht in die Debatte einmischen, man sei dem Thema gegenüber neutral eingestellt. In Luzern heisst es, man könne zu diesem Thema nichts Weiteres sagen.
«Die Strukturen unterscheiden sich stark»
«Die Gläubigen denken immer, wir glaubten alle an den gleichen Gott, was ja auch stimmt», sagt Müller. «Die Strukturen der reformierten und der katholischen Kirche jedoch unterscheiden sich massiv.» Man habe schlicht ein anderes Verhältnis von Gemeinschaft. «Ob Chur oder Zürich: Die Monarchie ist die gleiche, das Zölibat bleibt», so Müller. Die Gesamtkultur werde sich nicht ändern, wenn neue Grenzen geschaffen würden.
Relevant sei für die Ökumene jedoch, welche Person konkret neu als Bischof eingesetzt würde, sollten neue Bistümer zustande kommen, sagt Müller. Das bestätigen auch die anderen Kantone. «Die Position und die Haltungen des Bischofs sind für die Ökumene wichtiger als der Standort des Bischofssitzes», sagt Andreas Rechsteiner, Synodenpräsident der reformierten Kirche des Kantons Schaffhausen. Heinz Fischer, Kirchenratspräsident der reformierten Kirche im Kanton Schwyz, stellt klar: «Wichtig ist für uns, dass der bisher gute ökumenische Dialog gut bleibt. Änderungen in der Bistumsstruktur dürfen keine negativen Auswirkungen haben und keine höheren Kosten generieren.» Ohnehin habe die katholische Kirche derzeit doch andere Prioritäten als die Frage der Anzahl Bistümer auf relativ wenig geografischem Raum.
Wenig Chancen auf Fortschritt
Die Schaffhauser hoffen derweil, dass der neue Bischof, sollte es denn einen geben, mithilft, die «alten Gräben zu überwinden und an der einen Kirche aller Christen zu arbeiten». Was gut klingt, ist für Müller aus Zürich schwer zu glauben: «Diese Hoffnung, dass man dann einen Bischof nach eigenen Bedürfnissen hat, ist mit grosser Vorsicht zu geniessen.» Die Gefahr sei in der aktuellen Lage sehr gross, dass ein konservativer Bischof eingesetzt werde. Das berge Risiken für die Zusammenarbeit und die Ökumene. Müller selbst sieht wenig Chancen auf einen Fortschritt, «auch wegen der Entwicklungen innerhalb der Bischofskonferenz».
Näher an den Medienhäusern
Kommunikationstechnisch ist für Müller klar: Kommt das Bistum Zürich, sitzt der neue Bischof näher an den Toren der Medienhäuser. «Was für die Katholiken ein Vorteil sein wird, wird für uns Reformierte kommunikativ umso herausfordernder», sagt Müller. Aber schlecht sei das nicht. Das würde die Reformierten ein wenig wachrütteln.
Erste Rückmeldungen aus der Innerschweiz zur laufenden Umfrage gibt es schon: Wie die «Schweiz am Sonntag» jüngst berichtete, wehren sich die Vorsteher der katholischen Landeskirchen von Uri, Nidwalden, Obwalden und Schwyz dagegen, vom Bistum Chur abgespalten zu werden. Das Bistum müsse nicht aufgeteilt werden, es brauche einen aufgeschlossenen Bischof, der mit der Basis zusammenarbeite. Ein Bistum Urschweiz sei nicht lebensfähig, sagte die Schwyzer Kirche, allein wegen der finanziellen Lasten. Für die Glarner wäre ein Zusammenschluss mit St. Gallen denkbar. Die Idee eines eigenen Bistums wird auch in Genf diskutiert: Vergangenes Jahr führte das Bistum Lausanne, Genf und Freiburg eine Umfrage über eine Neueinteilung durch. Dabei sprachen sich 44 Prozent der Befragten für ein Bistum Genf aus, 35 Prozent dagegen.
Bis die neue Bistumseinteilung Realität wird, wird es wohl noch ein wenig dauern. Huonder selbst wird bei der Neuaufteilung gar nicht mehr aktiv mitmischen: Er wird nächstes Jahr 75 und muss beim Papst den Rücktritt einreichen. Wie das Gebiet aufgeteilt würde, entscheidet Rom in Absprache mit den Schweizer Bischöfen. Das Thema Neuaufteilung wird seit 1814 immer wieder diskutiert. Bis heute ohne definitive Lösung.
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Anna Miller / Kirchenbote / 27. April 2016
Neue Grenzen, alte Probleme