Nachwuchs gesucht
Die Situation ist angespannt. Per Ende 2020 konnten in der Deutschschweiz 70 Pfarrstellen nicht besetzt werden. Die Lage hätte noch schlimmer ausgesehen, wären nicht 49 Pfarrpersonen über das Pensionsalter hinaus tätig geblieben. Zu diesem Ergebnis kommt die Statistik zu den Pfarrstellen der Nachwuchsförderung Theologie, eine gemeinsame Initiative der reformierten Kirchen der Deutschschweiz und der Theologischen Fakultäten Basel, Bern und Zürich.
«Die Nachwuchsförderung bleibt ein dringliches Anliegen» sagt Thomas Schaufelberger, Leiter der Aus- und Weiterbildung Pfarrerinnen und Pfarrer. 33 Studierende schlossen im vergangenen Jahr das Studium ab, zehn davon waren Quereinsteiger. Seit 2015 gibt es das Programm für Quereinsteiger, das die tiefe Zahl an Studiengängern etwas abfedert. Quereinsteiger müssen ein abgeschlossenes Studium vorweisen. Dafür verkürzt sich ihr Theologie-Studium auf drei bis vier Jahre.
Der Boom ist vorbei
Da erinnert man sich gerne zurück an jene Zeit, in der es noch genügend Nachwuchs gab, damals, Anfang der 70er- und erneut Anfang der 80er-Jahre. Beide Male hatte es einen Boom an Absolventen gegeben. Doch dieser ist seit der Jahrtausendwende vorbei. Die Zahl der Studierenden ist seit dem Jahr 2000 zwar konstant geblieben, nimmt jedoch leicht ab. Die Stellenbesetzungen werden damit in Zukunft nicht einfacher. Man geht davon aus, dass von 2025 bis 2030 jährlich um die hundert Pensionierungen erfolgen. Bei einer gleichbleibenden Zahl an Studierenden, tut sich hier eine immer grösser werdende Lücke auf.
Keine Bewerbungen aus Deutschland
«Der Pfarrmangel kann aufgrund der Zusammenlegung von Kirchgemeinden und der Stellenkürzungen wegen des Mitgliederschwunds zwar gemildert, aber nicht gänzlich abgefedert werden», so Thomas Schaufelberger. «Früher gab es noch Bewerbungen aus dem Ausland, vorwiegend aus Deutschland.» Gerade während den 1980er- und 1990er-Jahren seien in Deutschland viele Theologieabsolventen «auf den Markt gekommen». Sie hätten dort nicht übernommen werden können, weshalb sich viele in der Schweiz bewarben. Doch diese Zeiten seien vorbei. In Deutschland kämpft man mittlerweile mit derselben Problematik wie hierzulande. Die geburtenstarken Jahrgänge kommen ins Pensionsalter, neue Pfarrer und Pfarrerinnen kommen zu wenige nach.
Vielfältigere Stellenprofile
Doch es gibt auch Entwicklungen, die erfreulich sind. «Es hat eine Dynamisierung des Pfarrberufs stattgefunden», sagt Thomas Schaufelberger. «Viele Pfarrerinnen und Pfarrer arbeiten Teilzeit und es gibt zunehmend eine grosse Vielfalt an Stellenprofilen für sehr unterschiedliche Begabungen.» Eine vollamtliche Pfarrerin, die in Pension geht, wird nicht selten durch zwei Personen mit kleineren Pensen oder eine Person mit einem 80-Prozent-Pensum ersetzt.
Zudem hat der Frauenanteil an der Pfarrschaft zwischen 2015 und 2020 konstant zugenommen, von 39,5 auf 42,4 Prozent. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, da der Frauenanteil bei den Studierenden über 50 Prozent liegt und gerade auch Frauen die Möglichkeit zur Teilzeit schätzen. «100 Prozent als Pfarrer oder Pfarrerin in einem Pfarrhaus mit hoher Präsenz rund um die Uhr zu arbeiten, entspricht nicht allen Menschen. Die Möglichkeit, Schwerpunkte zu setzen, in gewissen Lebensphasen Teilzeit zu arbeiten, eine Auszeit nehmen zu können, ermöglicht es, dass man unterschiedliche Menschen für diesen Beruf begeistern kann», so Schaufelberger. In Zukunft hoffentlich deutlich mehr.
Carmen Schirm-Gasser, kirchenbote-online
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