Mit einer Corona-Bibel gemeinsam gegen die Einsamkeit
Vor mehr als zwei Wochen hat der Bundesrat die Bevölkerung aufgefordert, aufgrund der Corona-Krise daheim zu bleiben. Auch Pfarrer Uwe Habenicht ist diesem Aufruf gefolgt und hat sich weitgehend zusammen mit seinen drei Söhnen und seiner Frau ins Pfarrhaus zurückgezogen. Dass die Massnahmen vielen nicht leicht fallen, spürt Habenicht im Gespräch mit Älteren. Besonders die Isolation, in der sich nun viele befinden, erachtet Habenicht als schwierig. «So können wir nicht aus der Gemeinschaft heraus Kraft schöpfen.»
Deshalb habe er sich überlegt, wie man die Menschen aus der momentanen Vereinzelung herausholen kann. Als Leitgedanke habe ihm ein Vers aus Psalm 119 gedient: «Herr, dein Wort ist meines Fusses Leuchte und ein Licht auf meinem Weg.» Daraus sei dann die Idee entstanden, gemeinsam an einer Bibel zu schreiben mit dem Motto: «Dein Wort. Ein Licht. Auf unseren Wegen».
Texte und Illustrationen
Alle Teilnehmer des Projektes dürfen sich eines der 1189 Kapitel der biblischen Bücher des Alten und Neuen Testaments aussuchen, das sie abschreiben wollen. Das Neue Testament und die Psalmen werden von Einzelpersonen geschrieben. Die Bücher des Alten Testaments werden von Gruppen aufgezeichnet.
Laut Habenicht, der das Projekt zusammen mit Roman Rieger, Leiter des Cityteams der katholischen Kirche im Lebensraum St. Gallen, lanciert hat, kann jeder mitmachen: Kinder, Erwachsene, Gläubige und Nichtgläubige. Dabei sollen auch eigene Gedanken zum Text aufs Papier gebracht werden, und wer möchte, kann ihn illustrieren. «So hält jeder einzelne seine Befürchtungen und Sorgen fest und fühlt sich dabei gleichzeitig mit anderen verbunden», sagt Habenicht.
Fast ausgebucht
Das Interesse am Projekt sei bis jetzt gross. Auch ausserhalb von St. Gallen. «Ich bin von der Nachfrage überwältigt. Viele müssen vertröstet werden, weil ihr Wunschtext bereits vergeben ist», sagt Habenicht.
Sobald die Krise vorbei ist, soll die Corona-Bibel in einer festlichen Dankesfeier der Stiftsbibliothek St. Gallen übergeben werden. Dort werde sie als ermutigendes Zeichen der Hoffnung und Verbundenheit und als Zeitdokument aufbewahrt. «Wann kann man schon mal an einem Stück Geschichte mitschreiben, das dann in einer solch renommierten Bibliothek aufbewahrt wird?», fragt Habenicht.
Andreas Bättig, ref.ch, 6. April 2020
Mit einer Corona-Bibel gemeinsam gegen die Einsamkeit