News von der Glarner reformierten Landeskirche

Luft – ein Luxus!

von Von Helena Golling
min
23.06.2024
Leben heisst atmen! Was aber, wenn einem wortwörtlich die Luft wegbleibt? Darüber schreibt Helena Golling, die das kürzlich in ihrer Familie erlebt hat.

Wie schön, dass wir am Leben sind. Lasst uns alle einmal kurz innehalten und dankbar sein, dass wir leben. Im Alltag nehmen wir das vielleicht zu oft als selbstverständlich hin? Wir leben vor uns her, ohne uns aktiv bewusst zu sein, dass wir leben dürfen. Manchmal passiert etwas, das uns aufhorchen lässt. Etwas, das uns im Berufsalltag zeigt, was wirklich wichtig ist im Leben: Familie. Gesundheit. Eine gesunde Familie. Unsere Nächsten. Gemeinschaft. Zusammenhalt.

Mir erging es so: Am Freitag vor Pfingsten war ich gerade auf dem Weg zur Arbeit. Seit kurzem habe ich einen Nebenjob bei der Interessensgemeinschaft für eine saubere Umwelt. Da bekam ich eine anderthalbminütige Sprachnachricht von meinem jüngsten Bruder Frederic – selten habe ich meinen Bruder so ernst erlebt: «Helena, Mummy hat gerade angerufen. Christopher, unserem mittleren Bruder, geht es nicht gut! Er hatte eine Art Hustenanfall, bei dem er eine halbe Minute lang nicht atmen konnte. Nichts ging mehr. Er konnte weder ein- noch ausatmen und wäre fast ohnmächtig geworden. Mummy war bei ihm und versuchte, ihn zu beruhigen, aber konnte nicht viel tun. Jetzt ist er im Spital. Jonathan, unser ältester Bruder, ist bei ihm. Bitte denk zu ihm hin.» So ging die Sprachnachricht und mir wurde es eng ums Herz. Es schnürte mir den Brustkorb zu und Tränen schossen mir in die Augen. Mein Bruder. Mein armer Bruder. Wie schrecklich musste das für ihn gewesen sein, keine Luft holen zu können. Angst zu haben, zu ersticken.

Mir wurde flau. Der Kaffee schmeckte plötzlich bitter. Das Stück Rhabarberkuchen vor mir konnte ich nicht mehr anrühren. Ich hatte Angst. Angst um meinen Bruder. Was, wenn er noch so einen Anfall bekommen würde? Luft ist lebensnotwendig. Atemnot ist dramatisch. Ich war drauf und dran, alles stehen und liegen zu lassen und zu ihm hinzufahren. In fünf Minuten war mein Arbeitsbeginn, aber das hier war ein Notfall. Ich wägte meine Möglichkeiten ab. Mit dem Zug wäre ich in anderthalb Stunden im Spital. Im Spital ist er in guten Händen. Unser Bruder Jonathan, der selbst inzwischen Arzt ist, ist bei ihm. Ich könnte heute Abend nach der Arbeit zu ihm fahren. Die Arbeit würde mich bis dahin ablenken. Zu viel Trubel bringt Christopher jetzt auch nichts. Nein, entschied ich. Ich fahre jetzt nicht direkt hin. 

Als ich nun die letzten Meter Arbeitsweg zurücklegte, schossen mir folgende Gedanken durch den Kopf: Krass, wie eine solche Nachricht alles verändern kann. Der Alltag und scheinbar Wichtiges rücken in den Hintergrund. Was übrig bleibt ist Liebe in Form von Sorge. Um die Menschen, die wir lieben. Dass es diesen gut geht. Leben. Alles andere – unsere Arbeit, die Schule, Aufträge… – ist zweitrangig. Und: Ich war in dem Moment wieder einmal so froh um meine funktionierende Familie. Dass sie mir gleich Bescheid gesagt hat. Dass unsere Kommunikation fliesst, offen und klar ist. Dass Jonathan schnell bei Christopher sein konnte, er war gerade fertig geworden mit dem Nachtdienst. Ich schrieb meiner Mutter eine Nachricht, dass ich ganz fest an sie denke – und an Christopher natürlich. Ich versprach ihr, abends zum Znacht nach Hause zu kommen ins Glarnerland. Inzwischen haben die Ärzte herausgefunden, was der Grund sein könnte für diese akute Notsituation von Christopher. Er ist auf dem Weg der Besserung. Und ich bin voller Dankbarkeit. 

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