Jesus einigt Kirchen
Seit Mitte März hängen in Deutschschweizer Städten und Dörfern 1500 Plakate aus. «Jesus ist . . .» steht darauf und «Was meinst du?». Die Passantinnen und Passanten sind aufgefordert, den Jesus-Satz zu ergänzen. Da heisst es dann zum Beispiel «Jesus ist brutal», aber auch «Jesus ist nicht katholisch», «äuääää Bärner» oder «der Einzige, vor dem ich die Knie beuge». Die Aussagen decken die ganze Bandbreite von banal bis tiefsinnig, von flapsig bis fromm ab.
Verantwortlich für die Kampagne ist das «Aktionskomitee Christen Schweiz», präsidiert von Andreas Boppart, Leiter von Campus für Christus. Die Aktion sei ein «Marketing-Coup» der Evangelikalen, kritisierten Vertreter der Freidenker-Vereinigung unlängst in der Presse. «Sogar Vertreter der Staatskirchen und Theologen» würden die Freikirchen «für ihre Anliegen einspannen», so der Vorwurf der Atheisten.
Tatsächlich sitzen im Patronatskomitee der Jesus-Kampagne mehrere namhafte Reformierte und Katholiken, angefangen bei Gottfried Locher, dem Präsidenten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Bischof Marian Eleganti und Urban Federer, Abt des Klosters Einsiedeln, über die reformierte Theologin Christina Aus der Au bis zu den reformierten Kirchenratspräsidenten von Basel-Stadt und St. Gallen, Lukas Kundert und Martin Schmidt.
Grabenkämpfe vermeiden
Christina Aus der Au, Geschäftsführerin am Zentrum für Kirchenentwicklung der Uni Zürich und Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentages 2017 in Berlin, mag keine Energie an «Grabenkämpfe» verschwenden. Landeskirchen und Freikirchen hätten wohl Differenzen bei der Interpretation der Bibel, etwa beim Thema Homosexualität. Doch «warum soll man nicht zusammenspannen bei Themen, auf die man sich einigen kann», sagt sie. «Das Thema Jesus kann eine Brücke bauen zwischen den verschiedenen Frömmigkeitsströmungen», ist die Theologin überzeugt. Auch Rachel Stoessel, Sprecherin des «Aktionskomitees Christen Schweiz», betont: «Zu Jesus haben alle etwas zu sagen. Daraus ergeben sich spannende Gespräche.» Rachel Stoessel ist Kirchenpflegerin in der Reformierten Kirchgemeinde Zürich Altstetten und weist darauf hin, dass das Komitee aus Freiwilligen breit abgestützt sei. «Wir stiessen mit der Kampagne bei allen, die wir für das Patronat angefragt haben, auf grossen Anklang.»
Christina Aus der Au fühlt sich nicht vereinnahmt. «Ich finde, wir sollten viel angstfreier an diese Sache herangehen», kontert sie Kritik. Für das Patronat hat sie zugesagt, weil sie die Plakate gut findet. «Wir legen nicht fest, wer Jesus ist, sondern möchten die Leute dazu anstossen, sich Gedanken zu machen. Wir wollen ihnen zuhören und erfahren, was sie von Jesus denken.» An der Kampagne interessiert Aus der Au vor allem «die Gesprächsoffenheit». Darum wünscht sie sich, dass die Leute nicht nur Aussagen über Jesus machen, sondern diese wiederum kommentieren.
Rachel Stoessel spürt eine Annäherung zwischen Landes- und Freikirchen. Christina Aus der Au hingegen meint, dass es sich hier wie bei der Ökumene verhalte. Die Zusammenarbeit sei lokal sehr unterschiedlich und hänge vor allem von den Personen vor Ort ab. «Wenn diese sich persönlich verstehen, können sie auch zusammen arbeiten.»
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Karin Müller / kirchenbote-online.ch / 22. März 2016
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