Interview-Serie zum Fest der Religionen im Kanton Glarus
Haben Sie auch schon an ihrem Glauben gezweifelt? Glaube ohne Zweifel gibt es für mich nicht. Das zeigen uns die Männer und Frauen der Bibel mit allen Facetten. Mein Zweifel ist aber tatsächlich im Laufe der Jahre kleiner geworden. Ich hadere zurzeit mit keinerlei Schicksal, deswegen habe ich auch keinen Grund an meinem Glauben zu zweifeln. Das kann sich aber natürlich immer wieder ändern. Das Leben ist ein Prozess. „Es küt wie es küt“, sagt man im Rheinland, „es kommt wie es kommt.“ Und wie sich das dann anfühlt, was da kommt und ob das etwas an meinem Glauben verändert, das sehen wir dann.
Was ist typisch reformiert? Für mich persönlich die wunderbare Freiheit, Glauben leben zu dürfen. Wir sind von den Reformatorinnen und Reformatoren beauftragt, das Evangelium immer wieder neu nach den gesellschaftlichen Begebenheiten zu befragen. Deswegen stehen wir nicht auf der Stelle, versuchen aktuell zu denken und zu handeln. Meine Freiheit ist, dass ich meinen Glauben so wie er ist, meinen Gegenübern präsentieren darf und sie oder er das genauso machen kann. Gesellschaftliche Vielfalt darf sich auch im Glauben widerspiegeln. Das ist in meinen Augen freies reformatorisches Denken und das lebe ich auch so.
Was wollen Sie von einer anderen Gemeinschaft lernen? Ich freue mich, mehr zu entdecken und mehr zu erfahren. Ich trete gerne an, um meine Vorurteile abzubauen, die ich, ob ich will oder nicht, in mir trage. Die Vorabveranstaltungen haben sehr dazu beigetragen, mehr zu verstehen, mehr ins Gespräch zu kommen, mehr zu wagen. Auf noch mehr freue ich mich.
Was kann man von Ihrer Gemeinschaft lernen? Wir wollen Kirche für viele sein, die man auch oft gar nicht sehen kann. Ich hoffe zeigen zu können, dass die Reformierten aufgeschlossen sind gegenüber den Bedürfnissen der Menschen, mit denen sie zu tun hat. Und gerne erzähle ich davon, dass wir uns mit Jesus Christus im Gepäck auf die Suche machen, was für Stadt und Land das Beste ist.
Was vereint die Teilnehmenden am Fest der Religionen? Was trennt sie? Uns vereint, dass wir unser Leben nicht ausschliesslich in die eigenen Hände nehmen, sondern dass wir in unserem Glauben einen Halt haben, der uns Kraft gibt und die Weisheit dazu, richtig zu handeln. Wir pflegen unsere Erinnerungskultur, unsere Rituale und unsere Tradition. Das geben wir an unsere Kinder weiter.
Uns trennen natürlich die verschiedenen Arten unseren jeweiligen Gott zu verehren. Andere Trennungsmomente sind in meinen Augen eher äusserlicher Natur: Kleidung, Rituale, Gebetsformen, auch Sprache. Diese Trennung muss es auch geben, man kann nicht aus verschiedenen Religionen einen Einheitsbrei anrühren.
Wie kann aus unserer Welt ein friedlicher Ort werden? „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist!“ heisst es beim Propheten Micha. Wir wissen alle, was es braucht, damit wir in Frieden leben können. Wir müssen unsere Freiheit nutzen, um stets daran zu arbeiten, das Gute, das wir kennen, zu wollen und zu leben. Dann kann es auch Frieden geben, in meiner Familie, mit meinen Nachbarn und dann auch für die ganze Welt. Eine schöne Illusion vielleicht, aber schwer ist es nicht.
Vor dem Fest der Religionen (Samstag, 28. September ab 12:00 im Güterschuppen in Glarus) öffneten jedes Wochenende im September verschiedene Religionsgemeinschaften ihre Türen auch für andere Glaubensgemeinschaften. Am 1. September fand in der Stadtkirche Glarus ein Gottesdienst mit Pfarrerin Dagmar Doll statt, bei dem man den reformierten Glaubens besser kennenlernen konnte.
Bild: Pfarrerin Dagmar Doll erklärt im und nach dem Gottesdienst vom 1. September in der Stadtkirche 2024 den reformierten Glauben.
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