Hoffnungslos optimistisch
Die Menschen verbinden mit Werten wie Erfolg, Karriere, materieller Wohlstand und wirtschaftliches Wachstum keine grossen Hoffnungen mehr, schreibt Swissfuture zu den Ergebnissen des Hoffnungsbarometers 2018. Swissfuture ist die Schweizerische Vereinigung für Zukunftsforschung, deren neuste Umfrage ergeben hat, dass hinsichtlich Politik, Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft keine besonders hoffnungsvolle Stimmung herrsche. Und doch gebe es Hoffnung: «Die Mehrheit der Menschen vertritt ein positives Menschen- und Weltbild, was wiederum positiv mit Hoffnung und einem erfüllten Leben zusammenhängt.»
Hoffnungen auf Beziehungen
Eine gewisse Hoffnungslosigkeit im Hinblick auf das Umfeld wird wettgemacht durch den grossen Optimismus, den doch ein Grossteil der Bevölkerung im persönlichen Leben spürt. Die persönlichen Hoffnungen gründen auf den sechs wichtigsten Aspekten Gesundheit, glückliche Familie, Harmonie, Selbstbestimmung, vertrauensvolle Beziehungen und sinnvolle Aufgaben. Traditionelle Ziele wie Erfolg, mehr Geld sowie die Suche nach Vergnügen und Genuss rücken laut Swissfuture immer mehr in den Hintergrund, was aber nicht heisse, dass sie unwichtig geworden seien. Zwischen 50 und 60 Prozent der Befragten gaben an, dass die menschliche Natur grundsätzlich gut sei, das Menschen grundsätzlich hilfsbereit seien, dass es mehr Gutes als Schlechtes gebe auf der Welt und dass die Welt eigentlich voller guter Dinge sei.
Gott ja, Kirche nein
Während das Hoffnungsbarometer offenbart, dass die Umfrageteilnehmenden ihre Hoffnungen vor allem auf sich selbst und auf die engsten Familienangehörigen setzen, lässt eine andere Umfrage weitere Folgerungen zu: Die Bevölkerungsumfrage über religiöse und spirituelle Praktiken und Glaubensformen in der Schweiz bringt zutage, dass Religion und Spiritualität nicht zwingendermassen mit einer Kirchenmitgliedschaft verbunden sind, aber dass sie trotzdem grosse Bedeutung haben. Die Interpretationen sind vielfältig. Grob gesagt beten rund zwei Drittel der Menschen – mehr oder weniger. Fast 50 Prozent glauben an einen einzigen Gott, zugleich glauben noch mehr daran, dass eine höhere Macht das menschliche Schicksal beeinflusst. Religion und Spiritualität im Alltag wird bei den Umfrageteilnehmenden vor allem in Erziehungsfragen, der Einstellung gegenüber der Umwelt, im Falle von Krankheit und in schwierigen Momenten des Lebens wichtig.
«Früher war nicht besser»
Andreas Walker ist Initiant des Hoffnungsbarometers und Co-Präsident von Swissfuture. Er hat in den letzten Jahren unter anderem etliche Organisationen im kirchlichen Umfeld auf dem Weg in die Zukunft begleitet. Der Zukunftsforscher betont: «Zukunft ist Hoffnung. Zukunft ist Leben. Ich trauere nicht einem romantischen Vergangenheitsbild nach, denn früher war es gar nicht besser.»
Christliche Werte wichtig, aber…
Das Hoffnungsbarometer zeige auf, dass christliche Werte wie das Bedürfnis nach Beziehungen, Vertrauen und Familie hoch im Kurs stünden. Im wirtschaftlichen Umfeld sei der Wunsch nach sinnvollen Tätigkeiten wichtiger geworden als möglichst viel Geld zu verdienen. Walker folgert: «Biblische Wahrheiten zu Lebensinhalten und Lebenssinn werden im Hoffnungsbarometer abgebildet. Aber die Kirche ist dabei kein Player. Niemand im nichtreligiösen Milieu kommt auf die Idee, einen Pfarrer zu fragen.»
«Portfolio falsch sortiert»
Die Kirchen hätten ein Problem mit der Selbst- und Aussenwahrnehmung und «ihr Portfolio falsch sortiert», denn: «Niemand kombiniert, dass Kirche etwas mit Hoffnung zu tun haben könnte.» Ihr werde in der öffentlichen Wahrnehmung nur theologische, nicht aber Hoffnungskompetenz zugesprochen. Das sei gewissermassen ein «Klumpenrisiko». Drei der wichtigsten Aspekte des Evangeliums würden im Korintherbrief aber mit «Glaube, Hoffnung, Liebe» auf den Punkt gebracht.
Entwicklung aktiv angehen
Und doch gebe es noch Hoffnung, so Walker, denn: «Die ganze Entwicklung in Richtung Digitalisierung, Robotik und künstliche Intelligenz wird uns herausfordern.» Die Frage nach dem Menschen-, Welt- und Gottesbild stelle sich ganz neu. Es sei seine Hoffnung, dass gerade kirchlich Engagierte aktiv mit diesem Thema umgehen: «Es geht darum zu erkennen, was Menschen zu Menschen macht und was Gott zu Gott macht. Das ist eine riesige Chance.»
Roman Salzmann, kirchenbote-online, 31. Mai 2017
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