«Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl»
Der Begriff Heimat verweist zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird er auf den Ort angewendet, in den ein Mensch hineingeboren wird und in dem die frühesten Sozialisationserlebnisse stattfinden, die zunächst Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und Weltauffassungen prägen. So ein Lexikoneintrag zum Begriff Heimat.
Was das im Einzelnen bedeutet, das mag jede und jeder für sich interpretieren. Hat Heimat etwas mit dem Ort zu tun, oder mit den Menschen, die mir wichtig sind? Wo fühle ich mich wohl und authentisch? Was macht es mit mir, wenn ich meine Heimat verlasse, egal ob freiwillig oder unfreiwillig? Gibt es in unserer globalen Welt überhaupt noch eine Heimat? Oder ist diese Welt ohnehin nur eine Zwischenstation zu der Heimat, die bei Gott ist?
Nicht überholt
Man könnte meinen, all diese Fragen seien heute überholt und das Heimatgefühl doch eher was für den Bergdoktor oder den Musikantenstadl. Dass dem nicht so ist, haben die vier Konfirmand*innen von Netstal unter Beweis gestellt, die am vergangenen Erntedankfest konfirmiert worden sind. Sie hatten sich bewusst für dieses Thema entschieden und sich zusammen mit ihrem Pfarrer Edi Aerni dazu Gedanken gemacht.
Für die online mit der ganzen Welt verbundenen Jugendlichen bedeutet Heimat: Zelten am Klöntalersee, ein Ort, wo jeder jeden kennt, Glarnertuch und Zigerbrüüt. Aber auch Heimweh in der Ferne, da, wo das Herz Wurzeln hat. Heimat ist kein Ort, so die jungen Menschen, sondern ein Gefühl. «Diese Verbundenheit zur Heimat hat mich gewundert», so eine Besucherin des Konfgottesdienstes. Sie erlebe auch im familiären Umfeld eine stärker werdende Verbundenheit zur Heimat. Das Älplerhemd und der Chüeligurt seien mittlerweile weit mehr als ein Accessoire für wenige. Ihr sei der zum Erntedanktag reich geschmückte Gottesdienstraum, die Fahnenschwinger und das Ländlertrio «Augenschmaus», die den Gottesdienst umrahmten, noch in sehr schöner Erinnerung.
Pfarrer Edi Aerni denkt auch gerne an diesen Gottesdienst zurück. Für ihn als Theologen hat der Heimatbegriff freilich noch eine andere Dimension. Die Bibel spricht von der Welt eher als Durchgangsstation hin zu der wahren Heimat bei Gott. «Unsere Heimat ist im Himmel!», heisst es im Philipperbrief. Hier mag es Diskrepanzen geben zwischen dem geläufigen Heimatbegriff und dem biblischen. Diese Spannung zu bündeln, war sicher die Herausforderung für den Pfarrer bei der Konfirmation.
Sicher ist, so Edi Aerni, dass der Mensch ein Plätzchen braucht. Und genau das ist es auch, was viele unter Heimat verstehen. Ein Plätzchen, wo ich willkommen bin, wo ich zurückkehren kann, wo man mir den Tisch deckt und sich einfach freut, dass ich da bin. Das kann hier auf Erden sein und dort bei Gott. Das mag in der Geburtsstadt sein oder weit von ihr entfernt. Eben dort, wo das Herz Wurzeln hat, kein Ort, sondern ein Gefühl.
Nach Meister Eckert hat Gott einen Platz dabei. Er sagte einmal: «Gott ist immer in uns, nur sind wir so selten zuhause.»
Dagmar Doll
«Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl»