Graue Rebellen für das Klima
Es war eine gut geplante Aktion, damals, Ende September. Doch selbst die können schief gehen. Klammheimlich befestigten Mitglieder der Klima-Grosseltern Zentralschweiz nachts um 3 Uhr Stoffplakate an Brücken und Bäumen in der Luzerner Altstadt. «ÖV ist geil, Umwelt bleibt heil» stand auf diesen, oder «Reduzieren statt CO2 produzieren», «Die Erde brennt, der Mensch pennt». Die Plakate hingen noch nicht lange, schon tauchte die Polizei auf und befahl, diese innert einer Stunde zu entfernen. Sonst würden rechtliche Konsequenzen drohen. Der Kompromissvorschlag der Klima-Grosseltern, im Verlauf des Morgens alle Plakate zu entfernen, nützte bei den eingreifenden Polizisten nichts. So entfernte man die Spruchbänder noch in derselben Nacht.
Spruchbandaktion im Keim erstickt
Zwar hatten die Klima-Grosseltern mit eventuellen Schwierigkeiten gerechnet. Die Spruchbandaktion war nicht angemeldet oder bewilligt gewesen. Und überhaupt, sind die Vorschriften im Kanton Luzern recht rigide, was Versammlungen, nächtliche Aktionen und selbst Prospektverteilen betrifft. Dennoch entschied man sich dafür, den Plan umzusetzen. «Wir hofften, dass die 80 Spruchbänder erst im Laufe des nächsten Tages irgendwann mal abgenommen werden», sagt Max Kläy, 74, Sprecher der Klima-Grosseltern Zentralschweiz. «Bis dahin hätten sie ganz viele Menschen auf dem Weg zur Arbeit entdeckt. Doch es war wohl etwas naiv zu glauben, dass wir damit durchkommen würden.» So wurde die Spruchbandaktion bereits im Keim erstickt. Gebracht hatte sie dennoch etwas – Publizität. Mehrere Berichte erschienen im Anschluss über die grauen Rebellen.
Und die liessen sich nicht unterkriegen. Sie suchten nach einem legalen Weg, wenn Demonstrationen bewilligt sein müssen, ebenso das Verteilen von Prospekten. Dieser sah so aus, dass am 24. Oktober mehrere Klima-Grosseltern auf einen einstündigen Klimaspaziergang durch Luzern ausschwärmten, jeweils allein oder zu zweit. Diesmal trugen sie die Sprüche an ihrem Körper, als Gilets, sprachen Interessierte an, diskutierten mit ihnen, fanden zahlreiche Unterstützer der Aktion.
Seit 2020 in der Innerschweiz
2014 wurde der Verein Klima-Grosseltern in der Romandie gegründet, 2020 in der Innerschweiz. Der Unter-Verein der Klima-Grosseltern Zentralschweiz zählt aktuell 55 Mitglieder. Die Mitglieder sind reihum pensioniert, zwischen 50 und 80 Jahre jung. Viele Ärzte und Lehrerinnen finden sich darunter. Alle wollen sie das eine: Die Menschen aufrütteln und die Jungen mit ihren Klima-Protesten nicht allein lassen. «Der Zustand unserer Umwelt verschlimmert sich offensichtlich schneller als befürchtet», so Max Kläy. «Trotz einiger Bemühungen sind wir weit davon entfernt, die notwendigen Klimaziele innert nützlicher Frist zu erreichen. Grosse Teile der Bevölkerung scheinen die auf uns zurollende Klimakatastrophe zu verdrängen oder fühlen sich nicht wirklich davon betroffen. Dass die Gletscherschmelze in einem derartigen Tempo vor sich geht, haben alle unterschätzt. Somalia hat mittlerweile aufgrund der Trockenheit ganz viele Flächen zum Anbau von Getreide verloren, obwohl das Land einmal Selbstversorger war. Und der Kahlschlag lebenswichtiger Wälder wie in Brasilien schreitet voran.»
Jeder kann einen Beitrag leisten
Um dieser Ohnmacht etwas entgegenzusetzen, will der Verein deutlich sichtbar darauf aufmerksam machen, dass jeder und jede Einzelne sein Verhalten verändern kann. Max Kläy, ehemals Forstingenieur, isst nur noch selten Fleisch, fährt nur mehr wenig mit dem Auto, wie er sagt, und hat in seinem Einfamilienhaus eine Holzheizung und eine Solaranlage eingebaut. Den Flieger nutzt er schon seit Jahren nicht mehr, wenn er in die Ferien reist, selbst wenn es ihn manchmal gelüstet, weiter weg zu fliegen. «Die Vorstellung, dass wir unseren Grosskindern eine desolate Welt hinterlassen, stimmt mich tieftraurig. Und sie lässt uns engagierten Widerstand leisten.»
Die Klima-Grosseltern wollen nun regelmässig Klima- Spaziergänge durchführen. Diese sollen zur Sensibilisierung für die Klimaabstimmung im nächsten Jahr dienen, wenn die Schweizer Bevölkerung über den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative abstimmen wird. Zudem weitet man die Spaziergänge auch auf die Stadt Zug aus, der «Hochburg der klimafeindlichen Unternehmen», wie sie Max Kläy nennt. Gerade dort will man Aufmerksamkeit generieren. Steter Tropfen höhlt den Stein, ist die Devise der Klima-Grosseltern.
Carmen Schirm-Gasser, kirchenbote-online
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