«Es hat bei den Multis noch nicht Klick gemacht»
Die Stimme von Markus Mugglin ist bekannt aus dem Radio. Der Medienprofi leitete bis 2012 die Politsendung «Echo der Zeit» bei Radio SRF und war Korrespondent für UNO- und globale Wirtschaftsfragen. 2016 hat der Journalist und Ökonom sein Buch «Konzerne unter Beobachtung. Was NGO-Kampagnen bewirken können» veröffentlicht. Im selben Jahr wurde die Konzernverantwortungsinitiative KOVI lanciert, die zum Ziel hat, weltweit tätige Grosskonzerne punkto Menschenrechte und Umweltschutz in die Pflicht zu nehmen. Mit der KOVI ist die Macht von Konzernen, aber auch die Wirkung von NGO-Kampagnen in den Blick der Öffentlichkeit gerückt. NGO heisst ausgeschrieben «Non Governmental Organisation» und steht für eine private, unabhängige, nicht gewinnorientierte Organisation, die einen sozialen oder gesellschaftspolitischen Zweck verfolgt.
Können NGO-Kampagnen Veränderungen bewirken? Und wie reagieren Schweizer Multis wie Nestlé, Novartis, UBS, CS, Glencore und andere auf deren Kritik? Diesen Fragen geht Markus Mugglin in seinem Buch nach. In Schaffhausen hat ihn der Publizist Peter Hartmeier dazu befragt. Die rund hundert Interessierten im Hotel Kronenhof erfuhren zu Beginn der Veranstaltung, dass kein anderes Land über so viele international tätige Konzerne und Firmen verfügt, die in der ganzen Welt Arbeitsplätze schaffen, Handel treiben und Gewinn erzielen, wie die Schweiz: «Swissholding, der Verband der multinationalen Unternehmen in der Schweiz, ist der Meinung, dass 80 Prozent der Schweizer Unternehmen über eine konsistente Menschenrechtspolitik gemäss UNO-Vorgaben verfügen», so Mugglin.
Druck durch KOVI
Am Beispiel von UN-Global-Impact zeigt der Autor auf, wie stark Wahrnehmung und Realität auseinanderklaffen. Im Jahr 2000 lancierte der damalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan den UN-Global-Impact, der die Anerkennung von Menschenrechten, soziale Arbeitsrechte und Umweltstandards beinhaltet. Die Unternehmen sollten sich freiwillig dazu bereit erklären, mitzumachen. In den ersten 15 Jahren blieb das Engagement mit nur 55 Mitgliedern sehr gering. Erst seit der Lancierung der KOVI im Jahr 2016 hat sich die Mitgliederzahl verdoppelt. «Der Druck hat etwas bewirkt, neu sind auch Rohstoffhändler und Goldraffinerien dabei», sagte Mugglin.
Laut einer aktuellen Studie des Bundes erwähnen heute zahlreiche Unternehmen Menschenrechte in ihren Leitbildern: «Da wird ein gewisser Meinungswandel sichtbar», räumt Mugglin ein. «Relevant wird dies jedoch erst dann, wenn sich die Unternehmen an die UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte halten. Und das ist bei nicht mal der Hälfte der Fall», betonte der Journalist.
«Langer Atem» ist wichtig
Wichtig sei, die Konzerne zu beobachten und Kampagnen zu führen, die sie in die Pflicht und in die Verantwortung nehmen: «Man muss dranbleiben und langen Atem beweisen, bis sich etwas bewegt. Es hat noch nicht Klick gemacht.» Nötig sei auch politischer Druck: «Wir brauchen verpflichtende Regeln. Appelle und Empfehlungen des Bundesrats reichen nicht aus.»
Besonders wirksam seien Kampagnen, die über die Grenzen hinausgehen. Mugglin zeigte dies am Beispiel von Nestlé auf. Der Konzern geriet in den Neunzigerjahren durch eine Schweizer Kampagne in die öffentliche Kritik. Grund: Kinderarbeit bei der Kakaoernte in Westafrika. Doch zunächst geschah gar nichts, der Skandal drohte zu verpuffen. Wirksam wurde die Kampagne erst, als in den USA Klagen und Sanktionsdrohungen gegen den Konzern eingingen: «Kampagnen müssen international verbunden sein, dann gewinnen sie an Kraft», stellte Mugglin fest.
Finanzieller Schaden tut weh
Mittlerweile sei Nestlé auf einem guten Weg: «Jene Konzerne, die Zielscheiben einer Kampagne waren, sind klar weiter als andere.» Dies hänge stark mit der Reputation zusammen: «Kampagnen wirken nachhaltig, wenn Unternehmen unter Druck geraten und um ihre Reputation fürchten.» Die Reputation sei kostbar: «Jeder Schaden wirkt sich für ein Unternehmen kommerziell aus, das wirkt stärker als jeder Skandal.» So seien nicht zufällig zuerst Nestlé und andere Unternehmen, die Produkte herstellen, denen man täglich beim Einkaufen begegnet, unter Druck geraten: «Bei diesen Produkten ist die Sensibilität am höchsten. Kampagnen können bewirken, dass man sie nicht mehr kauft.»
Das Gespräch im «Kronenhof» kam auch auf China. Mugglin sprach vom dortigen wirtschaftlichen Grosserfolg, dank dessen Millionen Menschen aus der Armut gekommen seien. Aber: «Freihandel führt nicht zur Freiheit für die Menschen vor Ort.» Global gesehen gebe es heute weniger Armut und Hunger auf der Welt. «Doch die Unterschiede auf den Kontinenten sind sehr gross. In Afrika nehmen Hunger und Armut wieder zu», so der Buch-autor. Deswegen sei es wichtig, über Menschenrechte zu sprechen, Kampagnen zu führen und Dialoge zu fördern: «Inzwischen hat es einen Kulturwandel gegeben, Streit und Dialog sind heute möglich und produktiv.»
Adriana Schneider, kirchenbote-online, 7. Februar 2020
«Es hat bei den Multis noch nicht Klick gemacht»