Es darf gelacht werden
Osterlachen bezeichnet den Brauch, die Menschen im Ostergottesdiensten zum Lachen zu bringen. Das Lachen an Ostern soll eine der christlichen Hauptbotschaften symbolisieren – die Freude darüber, dass Jesus Christus auferstanden ist und damit das Leben den Tod besiegt hat.
Während vieler Jahrhunderte war das Osterlachen in einigen Regionen fest im christlichen Brauchtum verankert. Da im Spätmittelalter jedoch mit obszönen Handlungen und Worten versucht wurde, die Gemeinde zum Lachen zu bringen, stiess das Osterlachen im Protestantismus auf scharfe Kritik. Der Basler Reformator Johannes Oecolampad wetterte gegen Brauch, am Ostermorgen die Gemeinde «gackernd oder krähend» mit schändlichen Clownssketches zum Lachen zu bringen. Geistreich sollten Predigten sein, «es dürfe aber nicht jedes Mittel recht sein, um Menschen zu Ostern zum Lachen zu bringen», so der Reformator 1518 in einem Brief. Oecolampad verteidigte sich so gegen den Vorwurf, zu ernst zu predigen.
Ab dem 18. Jahrhundert wurde das Osterlachen immer seltener. Irgendwann beschränkten sich die Geistlichen auf die «Ostermärlein»; lustige, kleine Geschichten.
Wo Glaube ist, ist ein Lachen
Inzwischen findet der Humor vermehrt Zugang auf die Kirche, wenn auch zaghaft. Das Osterlachen sei ein «Trotzdem-Lachen», sagt die Münsterlinger Spitalseelsorgerin und Pfarrerin Karin Kaspers Elekes aus Horn. Es sei gleichsam eine Freude, die sich nicht an der Oberfläche zeige, sondern «hinter der Welterfahrung». Sie zu finden, brauche einen tieferen Blick. «Lachen tötet die Furcht», so lässt Umberto Eco den alten Horge in seinem Roman «Der Name der Rose» sagen.
Gisela Matthiae, Theologin, Theaterpädagogin und Clownin, erläutert in ihrem Buch «Wo der Glaube ist, ist auch ein Lachen!», dass Lachen eine Äusserung vitaler Lebensfreude und der lachende Mensch weniger kontrolliert sei. Die Kirche habe sich darum mit dem Lachen schwergetan. Trotzdem seien die Evangelischen nicht humorlos. Der Titel des Buches von Matthiae stammt, so die Autorin, bewusst aus den Tischreden Martin Luthers. Und der Schweizer Theologe Karl Barth kommentierte das christliche Verhältnis zum von Freude geprägten Leben: «Ein Christ treibt dann gute Theologie, wenn er im Grunde immer fröhlich, ja mit Humor bei seiner Sache ist. Nur keine verdriesslichen Theologen! Nur keine langweiligen Theologen!»
Seelenventil in der Corona-Zeit
So die Theorie. Indes, wie sieht es in der Praxis aus? Ist Humor in der Kirche so ein rares Gut? Das Theologenehepaar Rahel und Daniel Gerber aus Hauptwil beweist das Gegenteil. Sie sind beide in der Evangelischen Kirchgemeinde Bischofszell-Hauptwil engagiert. Sie schätzen guten Wein, sie haben beide Humor.
Rahel Gerber leitet ehrenamtlich das Ressort Senioren und begleitet die Gemeindeglieder seelsorglich. Er ist Diakon, betreut Gemeindeglieder im Seniorenalter und gestaltet Gottesdienste. Rahel Gerber ist bekannt für ihr herzhaftes Lachen, ihr Mann für seinen humorvollen Predigtstil. Es sei ihm lieber, wenn die Leute im Gottesdienst lachen als gähnen, meint er. Wie der Humor den Zugang zum Gegenüber erleichtern kann, erfahren die beiden oft, selbst in schwierigen Situationen. Ebenso, dass nicht alle den gleichen «Humor-Zugang» hätten. «Das muss man herausspüren und situativ abwägen», betont Daniel Gerber und vergleicht den Humor mit Wein: «Es ist Geschmackssache.» Und so Gerber: «Guter Humor ist wie eine Art Seelenventil, gerade in der Corona-Zeit.»
Türöffner und Geistesfrucht
In der Seelsorge und als Beraterin in der Regionalen Suchtberatung Wil/SG erlebt Rahel Gerber, dass ein Lachen eine persönlich kritische Situation in einem Gespräch entspannen kann: «Gerade in Zeiten, in der wir Abstand halten oder Masken tragen müssen, kann Humor und ein angenehmes, fröhliches Auftreten eine wohltuende Nähe schaffen. Das kann etwas Leichtigkeit und damit Distanz und Perspektive auf das Problem geben.» Die Aufforderung «Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden» im Römerbrief 12,15 beschreibt für Diakon Daniel Gerber das Abbild einer relevanten Kirche: «Wir sind seelsorglich füreinander da in Krisen, Krankheiten und Trauer. Aber wir haben auch einen barmherzigen Gott, das Evangelium ist eine gute Nachricht. Und eine Frucht des Heiligen Geistes ist die Freude. Das sollte spürbar sein.»
Fertig lustig
Die beiden Theologen setzen aber auch deutlich Grenzen. «Es ist klar, dass Sarkasmus oder Zynismus nicht ins kirchliche Umfeld gehören oder dass man in bestimmten Situationen besser schweigt, als eine billige Pointe zu setzen», weiss Daniel Gerber. Für Rahel Gerber hört der Humor auf, wo sich das Gegenüber durch einen Witz abgewertet, unterlegen oder verletzt fühlen könnte. Sie findet es zudem störend, wenn jemand meint, er oder sie müsse ständig lustig sein: «Dann fühle ich mich unwohl.»
Roman Salzmann/Brunhilde Bergmann, kirchenbote.ch
Es darf gelacht werden