Erholung - und dann?
Der kanadische Bestseller-Autor Riley Moynes hat ein Buch geschrieben über die «vier Phasen des Ruhestands».
Nach Hunderten von Interviews mit Rentnern beschreibt er vier Zustände: Urlaub, Verlust, Experimentieren und Erfüllung.
Die erste Phase, «Urlaub und freie Zeit», ist geprägt von Vorfreude, endlich den Druck loswerden – Freiheit und Aufbruch. Das ist der vergnügliche Teil. Aber bald – vielleicht nach einem Jahr – folgt dem ewigen Urlaub die Phase zwei: die Ernüchterung, der Verlust. Ohne wirkliche Aufgaben ist das Leben irgendwie leer geworden. Die Arbeit hat Struktur, Sinn und Beziehungen geboten – wenn das fehlt, verliert das Leben seinen Inhalt.
Als geistliche Randnotiz mag notiert sein: Der reiche Bauer aus Lukas-Evangelium 12, Vers 16-21, glaubt, er hätte ausgesorgt und ist gerade dadurch dabei, sein Leben zu verlieren.
Wenn die Wendung von Jesus «das Leben verlieren» nicht den leiblichen Tod, sondern eher als Bild genommen den inneren Tod bedeutet, passt das zur Phase zwei, «ich habe ausgesorgt » wird zu «alles verloren».
Mit der dritten Phase beginnen die Dinge sich zu verbessern. Versuch und Irrtum: Der Rentner taucht aus seiner Funkstille wieder auf und beginnt mit verschiedenen Aktivitäten zu experimentieren. Dieser Abschnitt ist kein Zuckerschlecken, er kann auch Scheitern enthalten und bedeutet oft Anstrengung und innere Arbeit.
Wer sucht, der findet: Die Schätze des Lebens verstecken sich oft am Ende eines beschwerlichen Pfades. Die befriedigendste und zufriedenstellendste der Phasen ist die vierte: Wiedergeburt. Erfüllung – vorwiegend ehrenamtlich und im Dienst von anderen. Moynes gibt in seinem Buch ein persönliches Beispiel, wie Phase vier aussehen kann:
Eine Gruppe von Rentnern hat ein wachsendes Programm geschaffen, in dem sie anderen Fähigkeiten beibringen, die sie gut beherrschen: Malen, Fahrräder reparieren, Schulkinder unterrichten, Memoiren schreiben, einen Buchclub betreiben. Phase vier gelingt nicht automatisch. Doch wer sie findet, hat die «Magie des Ruhestandes» voll ausgeschöpft.
Ein Psychiater, mit dem ich vergangene Woche über die Pensionierung gesprochen habe, und der gedenkt, bis 75 weiterzuarbeiten, hat die Einsichten des Buches so zusammengefasst, ohne es gelesen zu haben: «Chasch nid nume Läse und Velofahre. Wotsch au no irgendwie nützlich si.»
Erholung - und dann?