Ein Kühlschrank im Freien
Schilder weisen den Weg zum Herzstück der RestEssBar Schaffhausen, dem Kühlschrank im Freien. Er befindet sich im Garten des Alterszentrums Kirchhofplatz. «Dieser Platz ist ideal. Er liegt sehr zentral», findet Susanna Hablützel, Mitglied des fünfköpfigen Vereinsvorstands. Sie öffnet das Schloss und die Tür des Kühlschranks und zeigt auf die Kürbisse, die hier ein Helfer deponiert hat. Daneben befindet sich ein Kasten für Backwaren, ebenfalls mit einem Schloss gesichert. Helferinnen und Helfer befüllen beide Behälter mehrmals pro Woche mit Lebensmitteln, die sie bei Bäckereien und Gemüseständen auf dem Wochenmarkt einsammeln oder von Privatpersonen erhalten. Es handelt sich nur um unverarbeitete Lebensmittel und solche, die keine ununterbrochene Kühlkette benötigen, also Obst, Gemüse, Brot und andere Backwaren.
Von hier kann sie jeder unentgeltlich abholen, der Verwendung dafür hat. Er benötigt dazu lediglich den Code für das Schloss, den er anonym über das Internet oder auf dem Sozialamt erfährt. «Die RestEssBar steht grundsätzlich allen offen, der soziale Hintergrund ist dabei zweitrangig», erklärt Susanna Hablützel.
Vorbild Winterthur
Der achtsame Umgang mit Lebensmitteln ist für Susanna Hablützel selbstverständlich: «Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Da gab es jede Woche einmal ein Reste-Essen.» Die Frage, wie sich die Verschwendung von Lebensmitteln reduzieren lässt, beschäftigt sie seit längerer Zeit. Als sie vor anderthalb Jahren von der RestEssBar in Winterthur erfuhr – der ersten in der Schweiz –, war sie begeistert von dieser Idee. Sie informierte sich mit einer Nachbarin vor Ort, suchte in ihrem Bekanntenkreis und auf Facebook nach Gleichgesinnten und gründete mit ihnen einen Verein.
Nachdem sie beim Lebensmittelamt die notwendige Genehmigung eingeholt hatten und ein geeigneter Standort für den Kühlschrank gefunden war, konnte die RestEssBar im Mai letzten Jahres starten. «Inzwischen tragen über 25 ehrenamtliche Helferinnen und Helfern die Initiative mit», sagt Susanna Hablützel. Wertvolle Anregungen und Unterstützung erhielten sie auch vom Dachverband, dem die verschiedenen RestEssBars und ähnliche Lebensmittel-Initiativen angehören.
Nichts bleibt übrig
Die neue Idee kommt in Schaffhausen gut an. «Wir erhalten durchweg positive Rückmeldungen, vor allem auf unserer Facebook-Seite», sagt Hablützel. Auch der Kreis der Lebensmittelhändler, die den Helfern zum Teil mehrmals pro Woche ihre überschüssige Ware überlassen, sei stetig gewachsen. Besonders stolz ist Susanna Hablützel, dass auch eine Coop-Filiale zu ihren Lieferanten zählt: «Damit sind wir Vorreiter.» Als Konkurrenz zu Tafelläden sieht sie ihr Projekt nicht, da diese ihre Artikel vor allem von den grossen Verteilzentren erhielten und nur mit Bezugskarten abgeben.
Und wie wird das Angebot genutzt? «Es bilden sich zum Teil Schlangen vor dem Kühlschrank», berichtet die junge Frau. Der Brotkasten und der Kühlschrank werden – abgesehen von einzelnen Tomaten mit Druckstellen – immer geleert. Hier und da entstehe sogar etwas Neid unter den «Restessern», wie die Kunden der RestEssBar auch genannt werden. Susanna Hablützel nimmt dies gelassen: «Es menschelt eben überall.»
Verhalten ändern
Trotz des guten Erfolges will Susanna Hablützel noch mehr erreichen: «Mit der Weitergabe von Lebensmitteln bekämpfen wir nur Symptome, nicht aber die Ursachen der Lebensmittelverschwendung.» Ihr wichtigstes Ziel ist es, mit ihrer Initiative Menschen zum Nach- und Umdenken zu bringen und ihren Umgang mit Lebensmitteln zu verändern. Dies möchte sie zum Beispiel mit einem Rätsel erreichen, das man zukünftig lösen soll, um den Code zum Kühlschrank zu erhalten. Auch mit Veranstaltungen am Welternährungstag vom 16. Oktober möchten ihr Verein und die übrigen Mitglieder des Dachverbandes Aufklärungsarbeit über Nahrungsverschwendung leisten.
Eine gute Werbung für Hablützels Anliegen ist der Schaffhauser Ambassador-Preis, den der Verein am 23. Februar verliehen bekommt. Die Initianten der RestEssBar freuen sich darauf.
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Detlef Kissner / Kirchenbote / 18. Februar 2016
Ein Kühlschrank im Freien