Ehrgeiziger Anspruch und viele Ideen
Alles kam mit einer Motion zu Ökumene, Mission und Entwicklungszusammenarbeit in der Synode ins Rollen: In der Beantwortung stellte der Kirchenrat fest, dass die Diskussion über den Vorstoss die Erkenntnis hervorgebracht habe, «dass im Engagement der Kirche nicht mehr Inland und Ausland strikte getrennt werden kann». Deshalb hat der Kirchenrat gemeindeübergreifende Arbeitsgruppen – kurz «Hearings» genannt – eingesetzt. Das Ziel besteht darin, für die Zukunft der Kirche eine breit abgestützte Vision zu entwickeln. Dabei wurde klar: Mit Herzblut können Zukunftsideen entwickelt und auch Spannungsfelder gemeistert werden.
Erkenntnisse in Broschüre dokumentiert
Im Hearing «Die Welt kommt zu uns» überlegten sich die Teilnehmenden, welche diakonischen Möglichkeiten sich für die Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten eignen. Im zweiten Hearing zerbrachen sich die Gruppenmitglieder die Köpfe wegen der sinkenden Verbindlichkeit und stellten unter anderem fest: Verbindlichkeit wächst in Gruppen, nicht im Gottesdienst – das heisst: Menschen verpflichten sich vor allem dann für ein Engagement in der Kirche und besuchen gerne den Gottesdienst, wenn sie dafür in kleineren Gemeindezellen Begeisterung entwickeln können. In einem weiteren Hearing kam der Wunsch zum Ausdruck, dass sich Kirche positionieren soll – «nicht als Moralinstanz, sondern im Sinne einer Hilfestellung zur Meinungsbildung», schreibt der Kirchenrat in einer Broschüre, die er über die Ergebnisse der Hearings veröffentlicht hat. Wenn es um die weltweite Verbundenheit geht, brauche es Leuchtturmprojekte, war sich eine weitere Arbeitsgruppe sicher. Als Vorzeigebeispiel gelten im Thurgau verschiedene sozialdiakonische Spendenaktionen von Kirchgemeinden im In- und Ausland sowie die jahrzehntelange Aufbauarbeit und Kooperation mit der Protestantischen Kirche Sabah in Malaysia, die vom Thurgauer Pfarrer Heinrich Honegger gegründet wurde. Derartige persönliche Kontakte und Direktpartnerschaften seien besonders erfolgsversprechend. Kantonalkirche und Kirchgemeinden könnten sich gegenseitig ergänzen, heisst es in der Broschüre.
Pioniergeist zulassen
Welches aber sind nun die geeigneten Gefässe beziehungsweise kirchlichen Angebote der Zukunft? Der Thurgauer Kirchenratspräsident Wilfried Bührer hatte die Gelegenheit, sich bei der anglikanischen Kirche inspirieren zu lassen. Dabei hat ihn ein Prinzip des Bischofs von London überzeugt: «Das leben lassen und im Leben fördern, was leben will.» Oder wie es die Arbeitsgruppe auf den Punkt bringt: «Pioniergeist zulassen und fördern.» Es brauche vor allem Leute mit Herz. «Initiativen müssen von unten kommen, müssen aber von oben wertgeschätzt werden.» Dabei werde die Teamarbeit immer bedeutender.
Gesprächssynode mit weiteren Ideen
Auch an der Gesprächssynode vom 21. August in der Kartause Ittingen werden Ideen für die Zukunft diskutiert. Die vorbereitende Arbeitsgruppe bringt beispielsweise das Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Innovation aufs Tapet. Der Wunsch nach visionärem Denken und kirchlichen «Leuchttürmen» in der Gesellschaft brennt ebenso unter den Nägeln wie die Frage nach der Partizipation und der Kommunikation in den Kirchgemeinden. Schliesslich sollen das Verhältnis zwischen Kirchgemeinden und Kantonalkirche, die Professionalisierung der Kirchenleitungen, Spannungen zwischen verschiedenen theologischen Richtungen sowie Beziehungen zu anderen Glaubensgemeinschaften thematisiert werden. Im Februar 2018 werden die Schlussfolgerungen der Gesprächssynode, der Hearings und der Thesen der Kirchgemeinden vom kantonalen Kirchensonntag weiterentwickelt: An einer Tagung treffen sich in der Kartause Ittingen Vertretungen der Kirchenvorsteherschaften und der Kantonalkirche.
Visionen entwickeln und umsetzen
Jakob Bösch, Präsident der Synode der Thurgauer Landeskirche, hat sich zusammen mit einer Arbeitsgruppe intensiv auf die Gesprächssynode vorbereitet: «Beim Start der Vorbereitungen war die erste Frage: Was wünschen wir uns, dass die Synodalen am Schluss der Gesprächssynode für Eindrücke mit nach Hause nehmen? Die Antworten: Wir haben erlebt, dass die Synode für die Kirche des Kantons von grosser Bedeutung ist. Sie trägt neben Beratungen zu Reglementen und Verordnungen vor allem eine Verantwortung für die Zukunft der Kirche, die sie auch mitgestalten kann.» Man habe sich in der vorbereitenden Arbeitsgruppe besser kennen gelernt, weil viel mehr Gespräche untereinander möglich waren als an einer «normalen» Synode. Und: «In Fragen um die Grund-Ausrichtung unseres Glaubens sehen wir klarer. Kurz gesagt: Das Selbstbewusstsein der Synode ist gestärkt.» Die Gesprächssynode sei aber auch zustande gekommen, um im Jahr des Reformationsjubiläums einen Akzent zu setzen. Es gehe darum, wie die Erneuerung (reformatio) weiter geführt werden kann: «Wenn wir das Selbstbewusstsein der Synode stärken wollen, meint das auch: Wir hoffen, dass die Kirche auf der kantonalen Ebene kräftiger, profilierter auftritt, die Kirchgemeinden nicht nur fördert und unterstützt, sondern auch für sich selber spricht, Visionen entwickelt und umsetzt.»
(Roman Salzmann, 20. August 2017)
Ehrgeiziger Anspruch und viele Ideen