Die Stadt Schaffhausen entschuldigt sich nach 600 Jahren
Gut hundert Menschen verfolgten an der Neustadt 39 mit, wie der Initiant Peter Bösch gemeinsam mit dem Stadtpräsidenten Peter Neukomm eine Gedenktafel enthüllte. Die Inschrift erinnert an die grausamen Judenmorde im späten Mittelalter. Die Tafel hängt im damaligen Judenquartier, wo sich die Synagoge befand. In den Jahren 1349 und 1401 verbrannte Schaffhausen die Juden in der Stadt nach Verleumdung und Folter auf dem Scheiterhaufen.
Juden als Sündenböcke
«Es ist schwierig, die vergangenen Geschehnisse mit nüchternem Blick zu betrachten», sagte Stadtarchivar Peter Scheck, der über die Judenverfolgung im späten Mittelalter berichtete. In der Vergangenheit habe der Jude in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen immer wieder als Sündenbock herhalten müssen. «Da Christen das Zinsnehmen verboten war, waren die Juden im Bankwesen tätig, manche zählten zu den wohlhabenden Bürgern. Das hat den Hass gegen sie geschürt», erzählte Scheck. «Die christlichen Bürger grenzten die Juden aus, sperrten sie in Ghettos, bezichtigten sie des Ritualmordes und beschuldigten sie während der Pestzeit, die Brunnen vergiftet zu haben.» Man sperrte die Juden ein und folterte sie. Die erpressten falschen Geständnisse brachten 40 Juden auf den Scheiterhaufen.
«Ein Mahnmal für Toleranz»
Heute, 600 Jahre später, entschuldigt sich die Stadt erstmals öffentlich für die Justizmorde. «Es ist ein dunkles Kapitel der Stadt Schaffhausen, aber wir finden es wichtig, dass man sich daran erinnert», sagt Stadtpräsident Peter Neukomm und nimmt Bezug zu den ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz: «Fremdenhass, Nationalismus und Intoleranz sind leider noch weit verbreitet. Die Gedenktafel soll ein Mahnmal sein für Toleranz in der Gesellschaft als Grundwert unserer Demokratie.»
Sich der Vergangenheit stellen
Für Peter Bösch, Initiant der Aktion und Präsident der Evangelischen Allianz Schaffhausen, steht die Tafel für Verantwortung: «Diese Tafel soll erinnern und versöhnen, indem wir uns dem stellen, was in der Vergangenheit passiert ist. Wir müssen bereit sind, Verantwortung dafür zu übernehmen. Wir dürfen nicht schweigen, wenn wir auf Ungerechtigkeit stossen.»
Bösch erfuhr erstmals in einem Berliner Museum von den Schaffhauser Judenmorden und war erschüttert. Für ihn sind die Morde im Mittelalter ein Vollzug des Antijudaismus, den die Theologen zu dieser Zeit predigten. Dabei lasse sich das Christentum nicht vom Judentum trennen. «Ich bin dankbar für die Bereicherung durch das jüdische Kulturgut», sagt Bösch und fordert die christlichen Kreise auf, gegen den Antisemitismus Stellung zu beziehen.
Adriana Schneider, kirchenbote-online, 14. September 2018
Die Stadt Schaffhausen entschuldigt sich nach 600 Jahren