«Die Kirchen sind ein Dorf»
Haiko Behrens, Sie waren an der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe. Mit welchem Eindruck sind Sie zurückgekehrt?
Dass die Kirche ein Dorf ist. An der Vollversammlung waren Menschen aus aller Welt, mit einer beeindruckenden Bischofsdichte. Ich habe noch nie so viele kirchliche Prominente auf einem Haufen gesehen. Der grösste Teil der Besucher und Besucherinnen kam aus Übersee, Afrika und Asien. Ich würde sogar behaupten, die Europäer waren in der Minderheit. Beeindruckend waren auch die vielen Ehrenamtlichen, welche die Vollversammlung unterstützten.
Was hat Sie besonders gefreut?
Es war eine sehr farbenprächtige Veranstaltung. Es gab zahlreiche ökumenische, diplomatisch austarierte Gottesdienste, vor allem mit den orthodoxen Brüdern und Schwestern. Deren Tradition hat mich beeindruckt. Ich muss aber einräumen, dass ich am Swiss Hub im Karlsruher Messegelände stand und von den grossen Debatten wenig mitbekam.
Was war dort Ihre Aufgabe?
Behrens lacht. Ich versuchte gewinnend zu lächeln und auf Deutsch und Englisch parlierend über das Schweizer Kirchentum und seine Bedeutung für die reformatorische Bewegung in der Welt zu informieren.
Hat man an der Vollversammlung gemerkt, dass die christlichen Kirchen auf anderen Kontinenten wachsen, während sie in Europa kleiner werden?
Ja, die Kirchen wachsen vor allem in Asien und Afrika. Die Afrikaner, Asiaten und auch Südamerikaner sind theologisch sehr versiert, wir haben dies in Europa in den letzten Jahren gar nicht mitbekommen. Wir leben in Europa auf einer kleinen Insel der vermeintlich Seligen. Die Kirchenmitglieder werden älter, die Kirchgemeinden kleiner, theologischen Nachwuchs gibt es, aber nicht mehr so zahlreich wie früher.
Gibt es auf anderen Kontinenten ein Interesse an reformierter Theologie?
Ja. Ich stand am Stand und eine junge Asiatin kam auf mich zu, schaute auf mein Namensschild und fragte mich in perfektem Deutsch nach meiner Meinung zum Schriftwechsel des grossen Schweizer Theologen Karl Barth mit dem ebenso grossen Paul Tillich aus dem Jahr 1967. Es ging um das Thema Dialektische Theologie. Oder so ähnlich. Sie doktoriere über diesen Schriftwechsel und ich als Theologe der Eidgenossenschaft wisse doch sicher über diesen Themenkomplex Bescheid und könne dezidiert Auskunft geben.
Und konnten Sie?
Nun, ich weiss, wer Karl Barth und Paul Tillich waren. Aber ich habe keine Kenntnisse über ihren Schriftverkehr in den sechziger Jahren, geschweige denn eine Meinung dazu. Übrigens: Ich werde meiner neuen chinesischen Kollegin mailen, denn ich habe einen profunden Kommentar zu dem ominösen Briefwechsel gefunden. In einer ghanaischen Fachzeitschrift.
Konnte der Pfarrer von Dornach etwas für seine Gemeinde aus Karlsruhe mitnehmen?
Ja, ein paar gottesdienstliche Impulse. Ich habe einige neue Lieder kennengelernt und viel Literatur erhalten. Es braucht aber Zeit, bis ich alles Material gesichtet habe.
Tilmann Zuber, kirchenbote-online
«Die Kirchen sind ein Dorf»