Die Abstimmung bleibt offen
Der Entscheid ist gefallen: Am 8 Juni hat der Nationalrat dem Gegenvorschlag des Ständerates zugestimmt. Das Stimmvolk wird am 29. November sowohl über die Konzernverantwortungsinitiative KoVI als auch den Gegenvorschlag an der Urne befinden. Die Initiative wird von Grünen und SP getragen, aber auch von zahlreichen NGOs, Kirchen und Hilfswerken.
Im Januar haben sich die Schweizer Kirchen zu einer breiten Front zusammengeschlossen. Dabei spielen konfessionelle Grenzen keine Rolle mehr: Mit dabei die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz, die Bischofskonferenz, der Verband Freikirchen Schweiz, die Schweizerische Evangelische Allianz sowie die kirchlichen Hilfswerke wie Heks und «Brot für alle».
Die breite Unterstützung spiegelt sich auch in den Umfragen, die das Forschungsinstitut LINK im Auftrag der Initianten anfangs Mai durchgeführt hatte. Damals hätten 78 Prozent der Stimmberechtigten Ja zur Vorlage gesagt, so das Ergebnis. Eine Umfrage der Gegenseite aus der Wirtschaft sieht den Ja-Anteil lediglich bei 46 Prozent.
Ausgangslage hat sich verändert
Mit dem Gegenvorschlag und Covid-19 hat sich die Ausgangslage nochmals verändert. Regula Reidhaar, Leiterin Kommunikation von «Brot für alle», glaubt, dass die Stimmbürger eher zur Annahme neigen. Gemäss einer Studie, die das Institut Edelmann im Mai durchgeführt hat, nehmen mehr als zwei Drittel der Befragten in der Folge von Covid-19 die soziale Ungleichheit in ihren Ländern wahr und möchten dies ändern.
Es sei schwierig abzuschätzen, wie die Wirtschaftskrise die Abstimmung im Herbst beeinflussen werde, sagt Dieter Wüthrich, Mediensprecher von Heks. «Es kann in die eine oder andere Richtung gehen.» Die einen wollten die schwierige Situation der Unternehmen durch die Initiative nicht noch zusätzlich verstärken. Die anderen sind für die KoVI, denn die Corona-Pandemie habe den Zusammenhang und die Abhängigkeiten klar aufgezeigt, die in der globalisierten Wirtschaft mit anderen Ländern bestehen. Wüthrich hofft, dass die Stimmbürger im November nicht alle moralischen Bedenken über Bord werfen und nur an die wirtschaftliche Situation denken. Die KoVI habe eine längerfristige Perspektive, welche die Wirtschaft stärke. «Es kann nicht sein, dass unser Wohlstand darauf beruht, dass Schweizer Unternehmen in anderen Ländern die Menschenrechte nicht einhalten.»
350 lokale Komitees
Zurzeit rüsten beide Seiten zum Abstimmungskampf. Kreise aus der Wirtschaft sind bereit, ihre Kampagne mit grossen Beiträgen zu unterstützen. Auf der Seite der Initianten setze man auf 350 lokale Komitees aus Kirchen und Wirtschaftsverbänden sowie auf Politikerinnen und Politiker, auch bürgerliche, sagt Reidhaar. Und im Abstimmungskampf will «Brot für alle» aus erster Hand aufklären: «In den kommenden Wochen wollen wir die Direktbetroffenen zu Wort kommen lassen», sagt Regula Reidhaar. Sie ist überzeugt, dass diese Strategie gelingt: «Die Initiative fordert ja schliesslich eine Selbstverständlichkeit. Wer einen Schaden anrichtet, muss dafür geradestehen.»
Tilmann Zuber, kirchenbote-online
Die Abstimmung bleibt offen