News von der Glarner reformierten Landeskirche

Denkpause vom 12. April 2025

von Manja Pietzcker
min
12.04.2025
Wer weiss, vielleicht wusste der Esel, auf dem Jesus nach Jerusalem kam, viel mehr von der geheimnisvollen Geschichte, die Gott da mit den Menschen verhandelt, als wir alle ahnen?

Der Esel - damit meine ich nicht den speziellen Mitmenschen, dem Sie vielleicht gern mal diesen Titel geben würden. Sondern es soll heute tatsächlich um die Vierbeiner gehen, meist grau-braun, nicht allzu gross und mit langen Ohren (und nein, trotz der langen Ohren und wegen des Datums: es geht auch nicht um den Osterhasen).

So ein Esel ist schon ein sehr besonderes Tier. Kein stattliches Pferd. Zum Reiten eigentlich irgendwie zu klein, und auch vor einer Kutsche macht er sich nicht so besonders. Vor allem auch, weil er sich sprichwörtlich störrisch anstellen kann, und dann ist es eher schwierig, rechtzeitig oder überhaupt das Ziel zu erreichen.

Und doch spielt er immer mal wieder eine sehr besondere Rolle. Den Ruf, störrisch zu sein, verdankt er nämlich der Tatsache, dass er im Gegensatz zum Pferd kein Fluchttier ist. Sondern in der Gefahr quasi erstarrt und sehr wehrhaft sein kann, weshalb er zum Beispiel auch hier und da als «Herdenschutz-Tier» gegen die Wölfe eingesetzt wird.

Und in der Bibel spielt er häufiger sogar eine ganz zentrale Rolle. Und da meine ich nicht unbedingt nur die allseits bekannte Szene im Stall in Bethlehem, wo Marias Reittier gemeinsam mit dem Ochsen erstaunt beobachtet, dass statt Futter plötzlich ein kleines Kind in der Krippe liegt.

Sondern ich meine heute besonders die Szene, die den wichtigsten Auftritt des erwachsenen Jesus markiert: den Einzug in Jerusalem. Diesen feiern wir jedes Jahr am Sonntag Palmarum.

Weil Jesus, diesmal selber reitend (nicht wie 35 Jahre vorher im Bauch Mariens), erneut auf einem Esel kommt und wie ein König empfangen wird. Die Menschen winken und bilden mit Palmwedeln ein Ehrenspalier, legen sogar ihre Mäntel wie einen roten Teppich aus.

Ein Triumphzug, der so manchem ein Dorn im Auge ist und deshalb auch sozusagen letztlich ins Auge geht … Wobei es wohl so kommen sollte. Jesus jedenfalls ist der Meinung, dass es unausweichlich ist, was nach seinem gefeierten Einzug in Jerusalem geschieht. Dass er sich mit den Händlern im Tempel anlegt (und dabei vollständig die Beherrschung verliert … hätte man ihm gar nicht zugetraut), dass er sich von seinen Freunden mit einem denkwürdigen letzten Mahl verabschiedet und danach mutterseelenallein verzweifelt betet. Dass er dann gesucht, verraten, verhaftet, verurteilt und letztlich hingerichtet wird.

Wenn der Esel das alles vorhergesehen hätte, hätte er sich vielleicht am Stadttor lieber störrisch gezeigt, wäre keinen Schritt weiter gegangen. Und Jesus wäre das alles erspart geblieben.

Wobei: Esel sind eben besondere Tiere. Viele Jahre zuvor hatte Bileams Esel gezeigt, dass er im Gegensatz zu den Menschen sogar Engel sehen kann.

Wer weiss, vielleicht wusste der Esel, auf dem Jesus nach Jerusalem kam, viel mehr von der geheimnisvollen Geschichte, die Gott da mit den Menschen verhandelt, als wir alle ahnen.

Der Esel rennt nicht weg, wenn es brenzlig wird. Auch Jesus ist dem Lauf dieser Geschichte nicht ausgewichen. Er hat etwas vorhergesehen, was wir uns nur erzählen lassen und glauben können. Es bleibt unerklärlich und doch irgendwie Teil der Realität. So wie der Engel, den nur der angeblich dumme Esel sehen konnte und der letztlich für Bileam die Rettung war.

 

Ein Esel zu sein, bedeutet scheinbar eben gerade nicht, dumm zu sein. Nur eben, die Dinge anders zu sehen, anders anzugehen … Und vielleicht gerade darum in aller «eselhaften Einfalt» letztlich der Klügere zu sein. Wenn doch Esel reden und erzählen könnten …

Pfarrerin Manja Pietzcker, Betschwanden

Bild: Kinderzeichnung von Moritz Knacke

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