David Bürklers «Bling Bling»
Mit Weihnachten verband David Bürkler (1936–2016) keine glücklichen Kindheitserinnerungen. Den Advent im Elternhaus prägten Spannungen, karg war das Leben während des Zweiten Weltkriegs. Als sich dann seine Verlobte und spätere Frau einen reich verzierten Christbaum wünschte, schenkte ihr Bürkler 1969 die ersten Kugeln. Die Leidenschaft wuchs und endete bei 35 mit Sammlergut vollgestopften Kisten. Doch Bürkler war weder ein Messie noch häufte er Kitsch an. Ihn interessierte das Material, die Kulturgeschichte.
Überraschendes, sehr Altes
Monika Mähr, Kuratorin der Ausstellung, bringt im Historischen und Völkerkundemuseum HVM St. Gallen Bürklers überraschenden und alten Christbaumschmuck ans Licht. «Bis zur Biedermeierzeit hängten die Leute Essbares an den Baum: Äpfel, Birnen, Nüsse.» Dann werden sie im norddeutschen Raum allmählich nachgeahmt aus Zinn, Glas, Pappe, Watte, Stanniol oder Blech. Vögel, Engel und Pilze kommen hinzu, Kläuse mit einer Öffnung am Kopf, Kugeln – verziert oder mit leonischem Draht umwickelt. Tannzapfen – der Klassiker fehlt nicht – Strohsterne zu Hauf. Glasperlen aus der tschechischen Glasbläserstadt Gablonz werden um 1800 en vogue. Aus dem Modeschmuck werden Blumenkörbe, Schmetterlinge, Velos und Kanonen, die alsbald an Weihnachten an den Ästen baumeln.
Stilepochen und Zeitzeugen
Der Graphiker und Künstler David Bürkler fand seine Schätze bei Antiquitätenhändlern, im Brockenhaus, bei Trödlern, auf Flohmärkten. Viel Geld gab er dafür nie aus. «Dank seines ästhetisch geschulten Auges, seiner Neugier in Bezug auf das Material und die Technik sowie seines Interesses an kulturgeschichtlichen Zusammenhängen haben wir eine vorzügliche Übersicht über diese Weihnachtstradition durch die verschiedenen Stilepochen», sagt Mähr. Und: «Bürkler war äusserst aufgeschlossen für Neues.» Mobile Telefone aus Glas verschwanden ebenso in den Kisten des Sammlers wie Ludwig II. aus Bayern als Schmuck. «Sie sind, wie die Zeppeline, die man ebenso an den Baum hängte, Zeugen der damaligen Zeit.»
Fein säuberlich beschriftet
Die Kuratorin warnt, Bürkler in eine Schublade zu stecken, ihn zu unterschätzen. Natürlich erstaune Bürklers «Bling Bling» in Anbetracht seiner konkreten Kunst und Graphik. «Er lebte mit dem Schmuck wohl eine sentimentale Seite aus.» Dass er ein Messie gewesen sei, ist indes eine Mär. Vielmehr pflegte Bürkler seine Sammelleidenschaft mit Bedacht, Kennerschaft und Voraussicht, kaufte bei fragilem Schmuck wenn möglich ein zweites Exemplar, um einen Ersatz zu haben. Auch beschriftete er seine glitzernden Schätze fein säuberlich.
Als der Baum sich drehte
Inmitten Bürklers Sammlungsausstellung – seit 1984 die zweite im HVM St. Gallen – steht eine Tanne, geschmückt in Weiss, im Jugendstile. Weihnachtsmusik berieselt. Die Besucher sehen ein früher aufgenommenes Interview mit David Bürkler. Sie hören Geschichten von Zeitgenossen. Auch jene von Fred Kurer, der bei Bürklers Eltern jeweils Weihnachten feierte und miterlebte, wie der drehbare Christbaum immer schneller und schneller wurde, bis er aus der Verankerung flog. Solch gusseiserne, drehbare Weihnachtsbaumständer prangen wie ein Bild an einer Wand und zeigen, dass der Christbaum früher wohl kleiner war und eher als Tischmodell diente. Und: er kam in ländlichen Gegenden bei den Reformierten früher auf als bei den Katholiken, die vorderhand ihrer Krippe treu blieben.
Ausstellung «Kunst am Tannenbaum – Sammlung David Bürkler», HVM St. Gallen, bis 28. Januar 2018
Katharina Meier, kirchenbote-online, 21. Dezember 2017
David Bürklers «Bling Bling»