Am 19. September feiern wir wieder den eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag. Ich mag den Bettag, auch wenn er mit seinen eher politischen als kirchlichen Wurzeln ein wenig zu würdig und steif daherkommt.
Dabei finde ich die Frage schon reizvoll, wie es zu dieser Kombination von Danken und Busse tun kommt. Danken und Busse tun sind für mich beinahe entgegengesetzte Pole:
Wir danken, wenn wir zufrieden sind, wenn etwas Gutes geschehen ist, wenn wir beschenkt worden sind. Dank heisst: es ist gut so. Dafür bin ich dankbar.
Busse hingegen zieht in die andere Richtung: Etwas Schlimmes droht oder ist geschehen. Ich bin daran beteiligt, mitschuldig, ich sollte umkehren und etwas anders machen. Busse heisst: Es ist gar nicht gut und ich habe daran mitgewirkt.
In der Entstehungsgeschichte des Bettags begegnen mir beide Seiten. Manchmal war ein Bettag mit Notzeiten verbunden, als behördlich verordnetes Fasten: nach der Bartholomäusnacht wurde in Zürich für die vertriebenen Hugenotten gebetet, ebenfalls in Zürich wegen des Erdbebens 1650. Nach Seuchen während des Dreissigjährigen Krieges hat St. Gallen einen Buss- und Bettag durchgeführt. Diese Beispiele unterstreichen eher den Bitt - und Busscharakter des Tages: Not lehrt beten. Der französische Name des Bettags - jeûne fédéral - unterstreicht diese Bedeutung.
Auch der Dank hat seinen Platz in der Geschichte des Bettags: Zum einen durch den Erntedank. Seit 1932 hat die Tagsatzung beschlossen, dass der Bettag am dritten Sonntag im September stattfindet. «Der Kern der herbstheiligen Zit bildet der Bättag», lese ich im Idiotikon. Zu dieser Zeit wird geerntet, «ein ordentlicher Dancktag, wie alle Jahr nach eingesamleten Früchten.» Meine ersten Bettagsgottesdienste waren zugleich Erntedankfeiern.
Auch der politische Dank ist mit dem Bettag verbunden: Ab 1639, nach der Ermordung von Jörg Jenatsch, wurde der Bettag jährlich aus Dankbarkeit wiederholt, weil die Schweiz vom Dreissigjährigen Krieg verschont geblieben war.
Für mich ist die Bereitschaft, Dank und Busse nebeneinander zu halten, ein Reifezeichen. Wir sind gleichzeitig unverdient beschenkt und verstrickt in Unrecht. So hat Martin Luther die Reformation auf die Formel gebracht hat: Simul iustus et peccator, wir sind zugleich Gerechtfertigte und Sünder. Es ist gut und nicht gut zugleich.
Heute, da Klimawandel und Erhaltung der Schöpfung ein vordringliches Thema sind, sehe ich diese Verbindung von Dank und Busse vor allem im Blick auf die Natur. Wir sind dankbar für «unser Land in seiner Pracht», wir dürfen die Natur geniessen und nehmen. Und zugleich: wir leben auf zu grossem Fuss, eine Umkehr ist fällig. Beides gleichzeitig wahrzuhalten, ist für mich Reife.
Von Pfarrer Edi Aerni, Netstal
Dank-, Buss- und Bettag