Blumen für André Thomkins
Fachkundige verwenden bei André Thomkins gerne den Superlativ. Wie etwa ein Kurator des Kunstmuseums Bern, als dieses eine grosse Retrospektive des verstorbenen Künstlers durchführte. Paul Tanner adelte Thomkins als einen, der «zu einer Generation Schweizer Künstler gehört, die international anerkannt war wie keine davor und danach». Das Kunstmuseum Basel bezeichnete ihn als einen «herausragenden Maler» und die neue Galerie in Graz als einen der «innovativsten und vielseitigsten Künstler der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts».
André Thomkins war Schweizer. 1930 in Luzern geboren, befinden sich seine Werke heute in bekannten Museen im In- und Ausland, aber auch in der Schweiz, wie das monumentale Xylophon für Flüeli-Ranft, zwei Wandbilder, die er zusammen mit dem Künstler Rolf Winnewisser für die Nationalbank in Luzern realisierte, sowie zehn Glasfenster in der reformierten Kirche Sursee. Auf die zehn Fenster ist man stolz in Sursee. Zu Recht.
Kleine Kirche, grossartige Fenster
Der Schweizerische Kunstführer GSK behandelte die Glasfenster auf ganzen 15 Seiten. «Die relativ kleine und schlichte Pfarrkirche von Sursee verdankt ihren Glanz hauptsächlich den Glasfenstern, die vom bedeutenden Schweizer Künstler André Thomkins 1966 neu gestaltet wurden», steht dort. «Sie stellen ein ausgesprochen innovatives Werk in der Geschichte der Glasmalerei dar.» Doch wie kam man in Sursee zu einem derart prominenten Künstler? Natürlich mit einem Quäntchen Glück, das nicht fehlen darf. Denn dort ahnte man vor 55 Jahren nicht, dass sich dieser André Thomkins später international einen Namen machen würde.
Vater engagierte Sohn
Und eigentlich wollte man damals, 1966, nur die Bänke in der Kirche erneuern, und die Heizung, samt einem neuen Anstrich der Wände. Stattdessen schlug John Thomkins, der sich als Kirchenarchitekt einen Namen gemacht hatte und mit den Renovationsarbeiten beauftragt wurde, vor, die Kirche vollkommen neu zu gestalten. Und so kam es, dass Vater Thomkins seinem Künstler-Sohn André den Auftrag für die Kirchenfenster gab. Ein Entscheid, der nicht zwingend auf der Hand lag. Denn André hatte bis dorthin erst einmal mit Kirchenfenstern zu tun gehabt, in einer Kölner Schule, 1963. Rückblickend gesehen dürfte es wohl ein Akt der Unterstützung des Vaters für den Sohn gewesen sein.
Eine Reise nach Liechtenstein
Zahlreiche Vorstudien zu diesen Fenstern kamen unlängst wieder zu Tage. Acht Skizzen fielen dem Archivar, der Dokumente ordnete, in die Hände. Diese waren völlig in Vergessenheit geraten. Doch was tun damit? «Es machte keinen Sinn, die Skizzen bei uns zu behalten», sagt Kirchgemeindepräsident Christan Marti. «Sie gehörten weder der Kirchgemeinde, noch konnte man sie für eine Ausstellung finden, da sie ja nicht katalogisiert waren.» Also begann er zu recherchieren und brachte in Erfahrung, dass der Nachlass von André Thomkins dem Kunstmuseum Liechtenstein vermacht worden war. So reiste Christian Marti vergangenen Herbst nach Liechtenstein und überreichte die Skizzen. Dafür kam er mit einer Vereinbarung unter dem Arm zurück.
Das Kunstmuseum versicherte ihm schriftlich, dass die Kirchgemeinde jederzeit berechtigt ist, die Skizzen für Ausstellungen auszuleihen und für ihre Publikationen zu verwenden. Fragt sich lediglich, wie hoch der Wert der Skizzen war, auf denen man in Sursee so lange gesessen hatte. Im Kunstmuseum in Liechtenstein konnte man die Frage nicht beantworten. Ein Blick auf vergangene Auktionen ist auch wenig präzise, ermöglicht jedoch eine Annäherung. Lempertz, das älteste Auktionshaus Europas, verkaufte zwischen 2000 und 2015 mehrere Objekte von André Thomkins. Der Preis dieser lag zwischen 2000 und 7000 Franken. Der finanzielle Wert der Skizzen ist somit überschaubar, der ideelle wohl um ein Vielfaches höher.
Ungewohnte Perspektive
Christian Marti ist froh. Das Archiv in der Kirchgemeinde ist nun aufgeräumt. Überraschungen dürfte es keine mehr geben. André Thomkins ist weiterhin ein Thema in Sursee. «Blumen für Thomkins» heisst die Ausstellung, in Anlehnung an die Jubiläumsausstellung «Blumen für die Kunst» im KKLB. Vierzig Kunstschaffende, die grossmehrheitlich aus der Region kommen, zeigen Werke, die man in der reformierten Kirche Sursee nur in sehr ungewohnter Position sehen kann: Man legt sich unter die Kirchenbänke.
Thomkins Sohn zu Besuch
Ein ungeahnter Besucher der Ausstellung ist Christian Marti bereits aufgefallen. «Vergangenen Oktober besuchte ein Sohn von André Thomkins die Ausstellung.» G. Nicolas Thomkins, von Beruf Designer, hatte eine Widmung im Besucherbuch hinterlassen. Er zeichnete just jenen VW-Käfer, den sein Vater als Vorlage für das Chorfenster in der Kirche benutzt hatte. «Vielen Dank für diese wirklich zauberhafte Ausstellung», schrieb er. «Mein Vater hätte helle Freude daran gehabt.»
Carmen Schirm-Gasser, kirchenbote-online
Blumen für André Thomkins