«Auch kirchenferne Menschen bleiben Christen»
Jürg Meier, Sie sind promovierter Zoologe, vor kurzem 70 Jahre alt geworden und waren während über vier Jahrzehnten ehrenamtlicher Prediger in der Neuapostolischen Gemeinde Basel. Was hat Ihre Liebe zur Bibel entfacht?
Also, zunächst einmal bin ich in einem christlichen Umfeld aufgewachsen. Ich habe die Sonntagsschule besucht, als Familie sind wir jeden Sonntag in den Gottesdienst gegangen. Später wurde ich angefragt, ob ich als Religionslehrer unterrichten wolle. Damit einher kam die Verpflichtung, sich noch intensiver mit Religion und Bibel zu beschäftigen. Das war für mich aber kein Muss, ich empfand das vielmehr als sehr spannend. Auch als ich als Naturwissenschaftler im Beruf stand, hat sich das nicht geändert.
Wenn man sich mit der erkenntnistheoretischen Seite der Naturwissenschaften beschäftigt, merkt man rasch, dass sich die Naturwissenschaften ein Spielfeld ausgesteckt haben, das nur einen bestimmten Ausschnitt unserer Welt beleuchtet. Die Forschung basiert ausschliesslich auf naturwissenschaftlichen Methoden. Viele andere wichtige Aspekte, wie zum Beispiel die Frage nach dem Sinn des Lebens, woher wir kommen, wohin wir gehen, sind hingegen per definitionem nicht Bestandteil naturwissenschaftlichen Denkens. Wenn man sich also mit den fundamentalen Dingen unseres Lebens beschäftigt, bleibt einem nichts anderes übrig, sich auch mit anderen Bereichen als nur den Naturwissenschaften zu befassen.
Ihre baseldeutsche Version des Neuen Testaments ist vor einem Jahr auf den Markt gekommen und erscheint bereits in dritter Auflage. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Ich denke, es sind vier Punkte. Erstens: Offensichtlich gibt es viele Leute in der Region, für die das Baseldeutsche als Muttersprache eine Sprache des Herzens ist. Zweitens: Auch Menschen, die kirchenfern sind – und das wird sehr oft vergessen –, bleiben Christen und bewahren sich einen Bezug zum Christentum. Drittens: der Preis. Das Neue Testament auf Baseldeutsch hat zehn Franken gekostet. Die Buchhändler haben mir Weltfremdheit attestiert, worauf ich ihnen geantwortet habe, dass ich lieber 1000 Bibeln für zehn Franken das Stück verkaufe als 200 für 30 Franken. Das ging voll auf. Und viertens: die positive Aufnahme in den Medien.
Vor kurzem sind auch die Psalmen auf Baseldeutsch erschienen. Was hat Sie an den Psalmen besonders fasziniert?
Die Psalmen sind sehr bekannt – man denke nur an Psalm 23, «Der Herr ist mein Hirte» – und darüber hinaus grosse Poesie. Die Psalmen gehören zur Weltliteratur, sind Gebets-, Lob- und Klageliteratur, sie umfassen das gesamte menschliche Leben. Deshalb hat es sich angeboten, aus dem Alten Testament zunächst einmal die Psalmen zu übersetzen.
Das Psalmenprojekt ist eine Co-Produktion von Ihnen und Pfarrer Beat Weber. Ist die Arbeit im Zweierteam anspruchsvoller oder einfacher?
Sie ist natürlich sehr viel anspruchsvoller. Beat Weber ist Alttestamentler, sein Spezialgebiet sind die Psalmen. Mit ihm als versiertem Kenner des Bibelhebräischen bestand die Möglichkeit, aus der Ursprache heraus – und nicht von einer deutschen Fassung – zu übersetzen. Nun muss man allerdings dazu wissen, dass das Hebräische sehr viel weniger Wörter kennt als das Deutsche. Jedes hebräische Wort kann mehrere, zum Teil sehr unterschiedliche Bedeutungen haben. Die wahre Bedeutung aus dem Kontext heraus zu destillieren, ist deshalb nicht ganz so einfach und hat, wie man sich vorstellen kann, des Öfteren zu Diskussionen geführt.
Sind bereits weitere Projekte in der Pipeline?
Im nächsten Jahr werden wir von der Bibelgesellschaft aus wieder einmal zwei schön bebilderte Büchlein für Kinder herausgeben, voraussichtlich zu den Themen Ostern und Pfingsten. Schon etwas angedacht auf übernächstes Jahr ist die baseldeutsche Übersetzung des Buches der Sprüche. Die Zitate Salomons sind ja sehr eingängige Texte.
«ìm Bebbi sini Bsalme»: Die Psalmen aus dem Bibelhebräischen ins Baseldeutsche übertragen von Jürg Meier und Beat Weber. Verlag Jumeba, Ettingen/Basel, 2024, 350 Seiten, 10 Franken.
Jürg Meier «verzellt»: ìm Bebbi sini Bsalme
Baseldeutsch ist die Sprache des Herzens. Sie ist Heimat. Ich glaube, darum verstehen viele Leute meine Version der Bibel viel besser: Ich habe letztes Jahr das Neue Testament auf Baseldeutsch übersetzt. «ìm Bebbi si Bììble» wurde zum Hype: Die 2000 gedruckten Exemplare habe ich innert kürzester Zeit restlos verkauft. Im Herbst ist nun auch die Übersetzung der Psalmen erschienen: «ìm Bebbi sini Bsalme».
Diesmal habe ich vieles anders gemacht. Früher habe ich mich auf andere deutsche Übersetzungen bezogen, diesmal habe ich die Psalmen aber direkt aus dem hebräischen Urtext ins Baseldeutsche übersetzt. Ich tat das gemeinsam mit Beat Weber vom Vorstand der Bibelgesellschaft. Er ist Alttestamentler und ausgewiesener Psalmenspezialist und kann gut Hebräisch.
Im Hebräischen gibt es viel mehr Nuancen als im Deutschen. Das Wort «Shalom» zum Beispiel übersetzen wir gemeinhin mit «Frieden». Dabei stimmt das nur bedingt. «Shalom» kann auch Freude heissen. Oder Freiheit. Oder Gemeinschaft, Harmonie, Gerechtigkeit, Menschlichkeit.
Psalmen sind Poesie. Sie bestehen aus Versen und Strophen. Das kommt in den deutschen Bibelübersetzungen oft nicht so zur Geltung. Beim Übersetzen haben wir uns darum umso mehr bemüht, die Reimschemen vom Urtext an die Sprache anpassen. Den Psalm 37 haben wir zum Beispiel so übersetzt:
«Reeg di nid uff über d Übeltäter;
eriifere di nit über d Halungge!
Düür wie s Graas wäärde si nämmlig,
und wie s grüene Grut verwelgge si.»
Auch Leute, die nicht mehr regelmässig zur Kirche gehen, freuen sich über die Übersetzung. Jemand sagte neulich zu mir: «Dank deiner Übersetzung kann ich endlich die Bibel lesen. Vorher war mir die Sprache darin zu salbungsvoll.»
Aufgezeichnet von Noemi Harnickell
«Auch kirchenferne Menschen bleiben Christen»