News von der Glarner reformierten Landeskirche

Aktiver Widerstand gegen «verantwortungsloses Verhalten»

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15.02.2019
Die Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz setzt sich seit Jahrzehnten für Flüchtlinge ein. Das Bezirksgericht Brig verurteilte sie kurz vor Weihnachten wegen Schlepperei. «Die Verantwortung der Schweiz hört nicht bei den Landesgrenzen auf», sagt sie.

Anni Lanz sieht aus wie die Grossmutter, die man sich für seine Kinder wünscht. Doch vor kurzem stand die 72-jährige Baslerin vor Gericht. Das Bezirksgericht Brig verurteilte sie, weil sie einem kranken Afghanen illegal in die Schweiz zurückverhalf. Anni Lanz fühlt sich aufgerufen, «aktiv Widerstand gegen verantwortungsloses Verhalten in der Flüchtlingspolitik zu leisten». In der Regel tue sie dies auf durchaus legale Weise. Aber sie sieht sich nicht nur als «nette alte Frau», sondern will sich gegen Entwicklungen, die sie stören, auch weiterhin «unüberhörbar zur Wehr setzen».

Bei Minusgraden ohne Unterkunft
Bei zehn Grad minus ohne warme Kleider und mit Spuren von Erfrierung verbrachte der junge Afghane zwei Nächte am Bahnhof von Domodossola. Anni Lanz hatte ihn im Ausschaffungsgefängnis Bässlergut in Basel kennen gelernt: «Er war psychisch sehr krank. Sein Schwager hat mir seine Geschichte erzählt», so Lanz. Kurze Zeit nach ihrem Besuch wurde der Mann nach Italien ausgeschafft. Doch im italienischen Flüchtlingszentrum wurde er abgewiesen. Die Eingaben fegten die Schweizer Behörden mit Standardsätzen vom Tisch. «Es ist meistens schwierig, dass unseren Einwänden Gehör geschenkt wird», stellt Anni Lanz fest, die im Fall des Afghanen keinen legalen Weg sah.

Aus der Geschichte lernen
Seit Mitte der 80er-Jahre setzt sich Anni Lanz für die Rechte von Flüchtlingen und Sans-Papiers in der Schweiz ein. Auf die Frage, was sie zu diesem unermüdlichen Kampf antreibt, erzählt sie: «Als ich jung war, hat man viel über den Zweiten Weltkrieg gesprochen und was dort mit Flüchtlingen passiert ist. Das hat mir Eindruck gemacht. Meine Eltern haben immer gesagt: Das darf nicht mehr passieren.» Lanz wurde mehrfach für ihren humanitären Einsatz ausgezeichnet, unter anderem mit der Ehrendoktorwürde der juristischen Fakultät der Universität Basel.

Einsatz für Rechtlose als Lebenshaltung
Der Einsatz für die Rechtlosen ist für Anni Lanz eine Lebenshaltung. Mit über 70 Jahren kümmert sie sich noch persönlich um die Einzelschicksale. Sie trifft Menschen im Ausschaffungsgefängnis oder wartet acht Stunden lang auf einen ausgeschafften Asylsuchenden am Flughafen von Rom, um sicherzugehen, dass er dort auch ankommt und menschenwürdig versorgt wird.

Oder sie fährt wie im Februar 2018 nach Domodossola, um den kranken ausgewiesenen Afghanen zurück in die Schweiz zu bringen. Da der Flüchtling keine Papiere hat, ist dies ein Verstoss gegen das Ausländergesetz der Schweiz. Anni Lanz wird zu einer bedingten Busse verurteilt. «Die Verantwortung der Schweiz hört nicht bei den Landesgrenzen auf», sagt sie. Sie möchte erreichen, dass keine verletzlichen Menschen mehr in andere Länder abgeschoben werden. «Gemäss meiner Erfahrung klappt es dort mit dem erforderlichen Schutz und mit der medizinischen Betreuung selten. Aber die offizielle Schweiz hält sich da bloss an Paragraphen und muss nichts nachweisen», kritisiert sie die Haltung der Schweizer Behörden.

Den Altersbonus nutzen
«Meine Energie hat merklich abgenommen und ich versuche nicht, die Spuren des Alterns zu verbergen», erzählt Anni Lanz. Trotzdem müsse sie ihren Altersbonus und ihre Glaubwürdigkeit nutzen, um in der Öffentlichkeit auf Probleme der Flüchtlinge aufmerksam zu machen.

Ihre Stimme verstummt auch nicht, wenn es um Klimapolitik geht. Da fordert sie ebenfalls aktiven Widerstand. «Prima, dass sich so viele Jugendliche Gehör verschaffen konnten. Mit ihren Strassenprotesten zeigen sie zudem ihre Wertschätzung für Demokratie», lobt sie den Einsatz der Schülerinnen und Schüler. «Gäbe es auf der Welt mehr Menschen wie Anni Lanz, wäre sie ein besserer Ort», sagte sogar der Staatsanwalt in Brig in seinem Plädoyer.

Noemi Schürmann, kirchenbote-online, 14. Februar 2019

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